Zehn Jahre IrakkriegSo führte George W. Bush die Welt in die Irre
Auf diesen Krieg ist niemand mehr stolz: Vor zehn Jahren griffen die USA den Irak an. Die von der Bush-Regierung vorgelegten Gründe erwiesen sich als falsch.
Mit Luftangriffen auf Ziele in Bagdad begann in der Nacht zum 20. März 2003 der Krieg der von den USA angeführten «Koalition der Willigen» gegen das Regime des irakischen Diktators Saddam Hussein. Bei der «Entwaffnung des Iraks» gehe es darum, «die Welt vor einer ernsten Gefahr zu schützen», sagte der damalige US-Präsident George W. Bush in einer Rede zum Kriegsbeginn. Zehn Jahre danach würden die meisten Amerikanern den Irak-Krieg am liebsten aus dem kollektiven Gedächtnis streichen. Denn aus dem vermeintlich schnellen Sieg entwickelte sich ein Bürgerkrieg, der die USA und den Irak traumatisierte.
Wie konnte es so weit kommen? Im Februar 2003 lieferte US-Aussenminister Colin Powell im UNO-Sicherheitsrat mutmassliche Beweise für Iraks böse Absichten. Anhand von Dias, Satellitenaufnahmen, Tonbandmitschnitten und Zeichnungen versuchte er nachzuweisen, dass Saddam Hussein weiter nach Massenvernichtungswaffen strebe, Verbindungen zur Terrororganisation Al Kaida unterhalte und die UNO-Waffenkontrolleure systematisch hinters Licht führe. Doch es war die US-Regierung, die den Rest der Welt hinters Licht führte: Die von Powell vorgelegten «Beweise» erwiesen sich ausnahmslos als pure Erfindung:
Massenvernichtungswaffen
Die Niger-Lüge: Colin Powell verwies vor der UNO auf Dokumente, wonach der Irak im afrikanischen Staat Niger 500 Tonnen Uran für den Bau von Atomwaffen kaufen wollte. Sie waren gefälscht. Joseph Wilson, der ehemalige US-Botschafter im Niger, hatte 2002 vor Ort recherchiert und keine Spur der angeblichen Urankäufe gefunden. Weil die Regierung Bush unverdrossen an ihrer Behauptung festhielt, veröffentlichte Wilson seine Erkenntnisse im Juli 2003 in der «New York Times». Als Racheakt sorgten Mitglieder der Regierung dafür, dass Wilsons Ehefrau Valerie Plame als Agentin des Geheimdienstes CIA enttarnt wurde.
Der falsche Informant: Powells «Beweise» für die Existenz von chemischen und biologischen Waffen im Irak basierten auf Aussagen eines «Chemieingenieurs», der die Produktion von Biowaffen überwacht haben soll. Dabei handelte sich um Rafid Ahmed Alwan al Dschanabi, der 1995 nach Deutschland geflüchtet war. Unter dem Decknamen «Curveball» lieferte er dem Bundesnachrichtendienst (BND) Informationen über «rollende Biowaffenlabors». Der BND leitete sie den Amerikanern weiter – angeblich mit der Warnung, dass «Curveball» nicht glaubwürdig sei. Trotzdem wurden sie als Begründung für den Irak-Krieg verwendet. Acht Jahre später gestand Rafid Ahmed Alwan dem britischen «Guardian», dass er gelogen hatte.
Saddam und Al Kaida
Das Treffen in Prag: Um den Amerikanern den Irak-Krieg zu «verkaufen», musste eine Verbindung von Saddam Hussein mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hergestellt werden. Sie wurde gefunden in einem angeblichen Treffen von Mohammed Atta, dem Anführer der Terroristen, mit einem Agenten des irakischen Geheimdienstes im April 2001 in Prag. Heute gilt es als sicher, dass dieses Treffen nie stattfand. Bereits im April 2002 erklärte FBI-Direktor Robert Mueller, es gebe keine Beweise, dass Atta zu jenem Zeitpunkt in Prag gewesen sei. Er habe sich vermutlich in Florida aufgehalten und dort Flugstunden genommen. Doch Kriegsbefürworter hielten hartnäckig an dem angeblichen Treffen fest.
Das Folter-Geständnis: Der wichtigste Zeuge für Saddams angebliche 9/11-Connection war das libysche Al-Kaida-Mitglied Ibn al-Shaykh al-Libi. Er war nach dem US-Einmarsch in Afghanistan verhaftet worden und hatte in CIA-Gewahrsam vermutlich unter Anwendung von Folter ausgesagt, dass Al-Kaida-Terroristen von irakischen Agenten im Gebrauch von chemischen und biologischen Waffen ausgebildet worden waren. Colin Powell verwendete diese Angaben vor der UNO. Später gab al-Libi (der Libyer) im Verhör zu, dass er die Geschichte erfunden habe, um eine «bessere Behandlung» zu erhalten. Er starb 2009 unter ungeklärten Umständen in einem libyschen Gefängnis.
Recherchen zur Al Kaida und den 9/11-Anschlägen ergaben später, dass es durchaus Annäherungsversuche zwischen Terrorboss Osama Bin Laden und Saddam Hussein gegeben hatte. Doch das Misstrauen zwischen dem islamischen Fundamentalisten und dem säkularen Machtmenschen war letztlich grösser als die Abneigung gegen den gemeinsamen Feind USA. Trotzdem glaubte eine Mehrheit der Amerikaner bei Kriegsbeginn, dass Saddam Hussein hinter den Terroranschlägen steckte und Massenvernichtungswaffen besass.
Die Realität sah anders aus: Die Untersuchungskommission zu den Anschlägen vom 11. September, der Geheimdienstausschuss des US-Senats und das US-Verteidigungsministerium kamen unabhängig voneinander zum Schluss, dass es keine Hinweise für eine Kooperation Saddams mit Al Kaida gab. Zwei Jahre nach Kriegsbeginn stellte das US-Militär auch die Suche nach Massenvernichtungswaffen im Irak ein. Gefunden hatte es rein gar nichts. Selbst Vizepräsident Dick Cheney musste im September 2006 in einem Fernsehinterview zugeben, dass die beiden Hauptgründe für den Krieg falsch waren.
«Das hat mich vernichtet»
Es habe ihn «geschockt und verärgert», dass seine Informationsgrundlage falsch gewesen sei, meinte George W. Bush später in einem Interview. Zugleich beharrte er darauf, dass es «der Welt ohne Saddam Hussein wesentlich besser geht». Heute äussert sich Bush nicht mehr zum Krieg. Er überlasse das Urteil künftigen Generationen. Colin Powell hingegen bezeichnete seinen Auftritt vor dem UNO-Sicherheitsrat bereits 2005 kurz nach seinem Rücktritt als Aussenminister als «Schandfleck» in seiner Karriere. Leute beim Geheimdienst hätten gewusst, dass die Quellen nicht verlässlich waren: «Das hat mich vernichtet.»