Auch «Titanic» wartet mit Islam-Cover auf

Aktualisiert

Öl ins FeuerAuch «Titanic» wartet mit Islam-Cover auf

Die muslimische Welt brennt - doch einer kennt mal wieder nichts: Leo Fischer, Chefredakteur des deutschen Satiremagazins «Titanic», kündigt für Ende September eine Islam-Ausgabe an.

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Frankreich riegelt seine Botschaften ab, in Deutschland legt die «Titanic» nach: Aus Angst vor Vergeltung für die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen in einem französischen Satiremagazin kündigte die Regierung in Paris an, weltweit rund 20 Botschaften, Konsulate und Schulen zu schliessen. Das deutsche Magazin «Titanic» will trotz der anhaltenden Protestwelle in der muslimischen Welt Ende September ebenfalls eine Islam-Ausgabe herausbringen.

Auf dem Entwurf des Titelblatts soll einem Bericht der «Financial Times Deutschland» zufolge Bettina Wulff in den Armen eines islamischen Kriegers mit Turban und Schwert zu sehen sein, der offenbar den Propheten Mohammed darstellen soll. «Der Westen in Aufruhr - Bettina Wulff dreht Mohammed-Film!» soll die Schlagzeile lauten.

«Titanic»-Chefredakteur Leo Fischer verteidigte auch die in der französischen Satirezeitung «Charlie Hebdo» erschienenen Mohammed-Karikaturen und nannte sie eine richtige Reaktion auf die «wahnsinnigen Ausschreitungen». «Satire darf und muss alles», sagte Fischer.

2006 hatte Titanic eine Karikatur zum Thema «Religionen im Vergleich» veröffentlicht (s. Bild nebenan). Es war eine grobe Skizze von vier unterschiedlich grossen Penissen, wobei derjenige, unter dem das Wort «Islam» stand, der kleinste war. Leo Fischer sagte damals: «Der Islam zog eindeutig den Kürzeren.»

«Charlie Hebdo» hatte am Mittwoch eine Reihe von Zeichnungen gedruckt, die sich auf «The Innocence of Muslims» beziehen, worauf die Webseite des Magazins von Hackern lahmgelegt wurde. Aussenminister Laurent Fabius kündigte am Mittwoch im Radiosender France Info an, dass die diplomatischen Vertretungen Frankreichs am kommenden Freitag geschlossen bleiben sollten.

«Ist es klug, Öl ins Feuer zu giessen?»

Aus Angst vor Ausschreitungen sei die französische Botschaft in der indonesischen Hauptstadt Jakarta bereits geschlossen worden, berichtete die französische Tageszeitung «Le Monde» am Mittwoch auf ihrer Internetseite. Auch die Botschaft in Tunis sowie zehn französische Schulen in Tunesien blieben von Mittwochnachmittag bis Montagmorgen geschlossen. Ausserdem sprach das französische Aussenministerium eine Reisewarnung für muslimische Staaten aus und forderte Franzosen in diesen Ländern zu «erhöhter Wachsamkeit» auf.

Premierminister Jean-Marc Ayrault sagte, die Meinungsfreiheit werde garantiert, forderte allerdings, sie «sollte verantwortungsvoll und respektvoll wahrgenommen werden». Auch Aussenminister Fabius mahnte Zurückhaltung an. «Ist es klug, in diesem Zusammenhang Öl ins Feuer zu giessen? Die Antwort ist nein», sagte er im Radiosender France Info. Der Leiter der Grossen Moschee von Paris, Dalil Boubakeur, rief ebenfalls zur Ruhe auf. «Das ist erbärmlich und hasserfüllt, eine nutzlose und dumme Provokation. Aber wir sind keine Pawlow'schen Hunde, die auf jede Beleidigung reagieren», sagte er.

«Ich gehe nicht mit Kalaschnikows auf die Strasse»

Der Chefredakteur von «Charlie Hebdo», der unter dem Künstlernamen Charb firmiert, verteidigte die Karikaturen. «Mohammed ist mir nicht heilig», sagte er am Mittwoch in einem Interview in der Redaktion des Satiremagazins in Paris. «Ich werfe den Muslimen nicht vor, dass sie über unsere Bilder nicht lachen. Aber für mich gilt das französische Recht, nicht das Recht des Korans.» Er bereue die Veröffentlichung der Karikaturen nicht und fühle sich für mögliche Gewalttaten nicht verantwortlich, sagte Charb. «Ich gehe nicht mit Steinen und Kalaschnikows auf die Strasse», sagte er.

Auf dem Titel war die Karikatur eines Muslims mit Turban im Rollstuhl zu sehen, der von einem orthodoxen Juden geschoben wird. «Man darf sich nicht lustig machen», wird den beiden Figuren in einer Sprechblase in den Mund gelegt. Darüber prangt der Titel «Intouchables 2» in Anlehnung an den beliebten Film «Intouchables» (Die Unantastbaren). Auf den Innenseiten ist ein Muslim zu sehen, der ähnlich wie beim Oscar verkündet: «Die Nominierten für den besten anti-islamischen Film sind ...».

Proteste gegen islamfeindlichen Schähfilm dauern an

Im Libanon gingen am Mittwoch Zehntausende Menschen aus Verärgerung über den Film und die Mohammed-Karikaturen auf die Strasse. In der südlichen Hafenstadt Tyros skandierten die Demonstranten «Oh Amerika, du bist der Feind Gottes!» Anstatt die Sicherheitsvorkehrungen in den Botschaften zu verschärfen, sollte Frankreich lieber die Satirezeitung «Charlie Hebdo» einstellen, sagte ein Demonstrant, Nasser Dheini.

Auch in anderen Ländern kam es zu Protesten gegen das in den USA produzierte Video. In Pakistan durchbrachen Hunderte wütende Anwälte ein Tor, das auf ein Gelände in der Hauptstadt Islamabad führt, auf dem die Botschaft der USA sowie die Vertretungen anderer Staaten untergebracht sind. Auch in Indonesien, Sri Lanka und Afghanistan gingen Demonstranten auf die Strasse.

US-Präsident Barack Obama bezeichnete unterdessen den Macher des Schmähfilms am Dienstagabend bei einem Fernsehauftritt als «dubiosen Typen». Die ägyptische Generalstaatsanwaltschaft ging weiter und erliess Haftbefehle gegen den mutmasslichen Regisseur Nakoula Basseley Nakoula, den US-Prediger Terry Jones und sechs ägyptische Kopten. Den Angeklagten werde vorgeworfen, der nationalen Einheit geschadet, den Islam beleidigt und öffentlich angegriffen sowie falsche Informationen verbreitet zu haben, hiess es in einer Mitteilung. Ihnen drohe die Todesstrafe. (jam/dapd)

«Es ist zulässig, Mohammed zu karikieren»

Würden Sie eine  Mohammed-Karikatur auf Ihrem Facebook-Profil posten? Markus Schefer: Wenn es andere Menschen in ihren religiösen Überzeugungen verletzt, nicht.

Würden Sie eine  Mohammed-Karikatur auf Ihrem Facebook-Profil posten? Markus Schefer: Wenn es andere Menschen in ihren religiösen Überzeugungen verletzt, nicht.

Sie würden also freiwillig auf das Recht auf freie Meinungsäusserung verzichten?

Ja. Nur weil ich etwas darf, heisst das noch lange nicht, dass ich es auch tun soll. Ausserdem ist es in der Schweiz ­verboten, andere in der Öffentlichkeit böswillig in ihrer re­ligiösen Überzeugung zu verunglimpfen.

Der Film «Innocence of Muslims», aber auch die Karikaturen des französischen Satiremagazins «Charlie Hebdo» wären in der Schweiz also verboten?

Diese Frage wäre zumindest bei der Ver­öffentlichung des Films zu prüfen. Es bleibt aber zulässig, Mohammed zu karikieren, genauso wie man Jesus, Gautama Buddha oder etwa Shiva in ein ungünstiges Licht rücken darf. Verboten sind aber in ­jedem Fall Publikationen, die wie etwa «Innocence of Muslims» zu unmittelbarer Gefahr führen. In diesem Fall muss das Recht auf freie Meinungsäusserung zugunsten des Schutzes vor physischer Gewalt eingeschränkt werden.

Was heisst das konkret für die europäischen Regierungen?

Die Weiterverbreitung des Films ist zu stoppen, da dieser zu Gewalt und Todesfällen geführt hat. In Bezug auf die gestern erschienenen Karikaturen ist abzuwarten, ob die getroffenen Sicherheitsmassnahmen etwa von Frankreich ausreichen, um weitere Ausschreitungen zu verhindern. Gleichzeitig müssen wir uns fragen, weshalb ein Teil der islamischen Welt derart empfindlich geworden ist.

Markus Schefer ist Professor für Staatsrecht an der Uni ­Basel und Experte für Meinungsäus­serungsfreiheit. (sut)

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