US-Magazin empört mit Muslim-Cover

Aktualisiert

«Newsweek»US-Magazin empört mit Muslim-Cover

Mit provokativen Titeln kämpft das angeschlagene US-Magazin «Newsweek» ums Überleben. Das neuste Coverfoto mit wütenden Islamisten geht jedoch vielen Kritikern zu weit.

Peter Blunschi
von
Peter Blunschi
Das aktuelle Cover (links) und jenes, das zur Abwahl von Barack Obama aufruft.

Das aktuelle Cover (links) und jenes, das zur Abwahl von Barack Obama aufruft.

Der Aufruhr in der islamischen Welt über den umstrittenen Mohammed-Film wird in den westlichen Medien breit und sehr unterschiedlich abgehandelt. Das US-Nachrichtenmagazin «Newsweek» setzt dabei auf einen Knalleffekt: Die Titelseite seiner neusten Ausgabe zeigt unter der Überschrift «Zorn der Muslime» ein Foto von bärtigen Männern mit wutverzerrten Gesichtern, offenkundig Salafisten. Aufgenommen wurde das Bild in Marokko.

Das provokative Cover sorgt für heftige Reaktionen. Der Pakistan-Korrespondent des nicht als links bekannte britischen «Daily Telegraph» bezeichnete es als «krankhaftes Stück Schock-Journalismus, das ein einst grosses Magazin herabwürdigt». Das Titelbild zeige eine kleine Minderheit unter den Muslimen, wie er selber nach dem letzten Freitagsgebet in Islamabad gesehen habe. Etwa 30 Leute hätten protestiert. «Die meisten Moscheegänger schauten aus der Distanz zu, kauften ein Eis und gingen dann zu ihren Familien».

Auflage mehr als halbiert

Zahlreiche weitere Kommentatoren bliesen ins gleiche Horn und bezeichneten das Cover als «vulgär», «schlechten Witz» oder «stupiden Sensationalismus». Doch die Provokation hat Methode: Dem einst ruhmreichen Nachrichtenmagazin geht es schlecht, die Auflage hat sich seit Anfang 2008 mehr als halbiert, auf 1,5 Millionen Exemplare, die Werbeeinnahmen sind eingebrochen. Den Turnaround soll die britische Starjournalistin Tina Brown schaffen. Sie hatte als Chefredaktorin bereits den verstaubten «New Yorker» aufgepeppt.

Browns Rezept für «Newsweek»: Für Gesprächsstoff sollen nicht wie früher aufwändige Recherchen und Reportagen, sondern knallige Titelbilder und Meinungsartikel sorgen. Die Titelgeschichte ist denn auch keine fundierte Analyse eines renommierten Journalisten. Sie stammt von der niederländisch-somalischen Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali, die in der für sie typischen Mischung aus interessanten Ansätzen und ärgerlicher Schwarzweiss-Malerei schildert, wie sie den Zorn der Muslime «überlebt» habe und «wie wir ihn beenden können».

«Hit the Road, Barack»

Vor einigen Wochen durfte sich bereits Hirsi Alis Ehemann, der britische Historiker Niall Ferguson, auf der Titelseite mit der Überschrift «Hit the Road, Barack» für einen Rauswurf des Präsidenten aus dem Weissen Haus stark machen. Auch diese Story wurde kritisiert, vor allem wegen diversen Fehlern, worauf «Newsweek» einräumen musste, man habe den Text keiner Faktenprüfung unterzogen. Immerhin ist das Blatt politisch nicht einseitig: Ende Juli wurde Obama-Herausforderer Mitt Romney auf dem Cover als «Weichei» bezeichnet.

Medienexperten zweifeln daran, dass Tina Browns Masche mit den provokativen Covern dem Magazin das Überleben sichern kann. Wie man es auch machen kann, zeigt der ewige Konkurrent «Time», der auf die Kernkompetenz eines Nachrichtenmagazins setzt, nämlich fundierte Hintergrundberichte. Zwar sind die Kioskverkäufe eingebrochen, doch dank treuen Abonnenten hat «Time» immer noch eine Auflage von über drei Millionen.

Humor auf Twitter

Mit dem neusten Cover hat «Newsweek» zumindest eines erreicht: Man ist im Gespräch. Und die Reaktionen sind nicht nur ablehnend. Unter dem Twitter-Hashtag #muslimrage dürfen «Newsweek»-Leser über die Titelstory diskutieren. Manche tun es mit Humor, wenn sie schildern, was den Zorn der Muslime errege: «Meinem fliegenden Teppich ist das Benzin ausgegangen», heisst es etwa. Und der Favorit vieler User: «Habe meinen Neffen auf dem Flughafen verloren. Kann aber seinen Namen nicht rufen. Er heisst Dschihad.»

Deine Meinung zählt