Putin plante den Ukraine-Konflikt vor einem Jahr

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Brisantes DokumentPutin plante den Ukraine-Konflikt vor einem Jahr

Der russische Präsident inszenierte die Krise in der Ukraine von Anfang an. Das behauptet der Chefredaktor der renommierten «Nowaja Gaseta».

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Aus dem Büro des russischen Präsidenten Wladimir Putin soll ein Dokument stammen, das den Ukraine-Konflikt von Anfang an skizziert. Es stammt von Anfang Februar 2014 - noch  bevor der damalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch gestürzt wurde.
Das behauptet Dmitri Muratow, Chefredaktor der rusischen «Nowaja Gaseta». Er will das brisante Dokument am 25. Februar 2015 veröffentlichen.
Viktor Janukowitsch wird im Dokument als «ein Mensch ohne Moral und Willenskraft, mit dessen Sturz jeden Moment gerechnet werden müsse» beschrieben. Das war zu der Zeit, als Janukowitsch durch die Proteste in Kiew unter Druck stand. Die Maidan-Demonstranten forderten einen Anschluss der Ukraine an die EU statt an Putins Eurasische Zollunion.
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Aus dem Büro des russischen Präsidenten Wladimir Putin soll ein Dokument stammen, das den Ukraine-Konflikt von Anfang an skizziert. Es stammt von Anfang Februar 2014 - noch bevor der damalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch gestürzt wurde.

Keystone/AP/Sergei Ilnitsky

«Alles, was in der Ukraine passierte, wird in diesem Dokument vorausgesagt», sagte Dmitri Muratow in einem Interview mit dem Radiosender Echo Moskwy. Der Chefredaktor der «Nowaja Gaseta» bezog sich auf ein Schreiben aus dem Büro des russischen Präsidenten Wladimir Putin, auf dem der Ukraine-Konflikt Schritt für Schritt beschrieben wird. Das Brisante: Das Papier stammt aus der Zeit zwischen dem 4. und 15. Februar 2014 – also Tage vor dem Putsch gegen den damaligen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch.

Janukowitsch war denn auch Ausgangspunkt des perfiden Plans: Laut Muratow wird er in dem Dokument als «ein Mensch ohne Moral und Willenskraft, mit dessen Sturz jeden Moment gerechnet werden müsse» beschrieben. Das war zu der Zeit, als Janukowitsch durch die Proteste in Kiew enorm unter Druck stand. Die Maidan-Demonstranten forderten einen Anschluss der Ukraine an die EU statt wie von ihrem Präsidenten geplant an Putins Eurasische Zollunion.

Diese Aussicht war Russland ein Dorn im Auge, hätte das Land dadurch doch die Kontrolle über die durch die Ukraine führenden Gas-Pipelines und über einen wichtigen Markt verloren.

Ziel, Mittel und Strategie skizziert

Auf dem Dokument sollen laut Muratow das Ziel, die Mittel und die diplomatische Strategie Moskaus für den Ukraine-Konflikt skizziert sein. Laut den Angaben des Journalisten steht dazu Folgendes auf dem Papier:

Ziel: die Vereinigung ostukrainischer Regionen – auf die eine oder andere Art – mit Russland. Als Erstes sollten die ukrainische Halbinsel Krim und das Gebiet um die Stadt Charkow in Angriff genommen werden.

Mittel: die gegensätzlichen Kräfte der verschiedenen ukrainischen Regionen für die eigenen Zwecke instrumentalisieren.

Diplomatische Strategie: Der Kreml besteht auf einen aktiven Part in den Friedensverhandlungen, obwohl er selbst die Ursache des Konflikts ist.

Ein Oligarch und seine Agitatoren

Das Dokument stamme aus dem Umfeld des russischen Oligarchen Konstantin Malofejew, so Muratow weiter. Der schwerreiche Russe hatte laut der Online-Zeitschrift The Interpreter die prorussischen Aufstände auf der Halbinsel Krim finanziert – unter anderem mit einer Spende von einer Million Dollar an den neuen Bürgermeister der Krim-Stadt Sewastopol.

Zu den engeren Mitarbeitern Malofejews gehören Alexander Borodai und Igor Girkin alias Strelkow. Die beiden waren zuerst auf der Halbinsel Krim und danach in der Ostukraine tätig. Borodai war zeitweilig selbsternannter Premierminister, Strelkow einer der militärischen Führer der «Volksrepublik Donezk». Laut Muratow legte Malofejew das Dokument Mitarbeitern des Präsidenten vor, danach habe es der Kreml gutgeheissen.

Muratow hat eine schlimme Befürchtung

Muratow will das brisante Papier am kommenden Mittwoch in seiner Zeitung veröffentlichen. Die «Nowaja Gaseta» gilt als eine der wenigen noch unabhängigen Zeitungen Russlands, bekannt für hochstehenden, investigativen Journalismus. Mehrere Journalisten der «Nowaja Gaseta» bezahlten ihre kritische Arbeit mit dem Leben – unter ihnen Anna Politkowskaja.

Wenn die Aussagen Muratows zutreffen, müsste sich das Dokument wie ein Drehbuch für den Ukraine-Konflikt lesen. Erschreckender sind vielleicht noch die Aussagen des Journalisten über Putins aktuellen Einfluss auf die Geschehnisse in der Ostukraine: «Heute macht Putin alles, um diesen Krieg zu stoppen. Aber ich befürchte, der Krieg hat sich seiner Kontrolle entzogen.»

Putin sieht Chance für Normalisierung

Wladimir Putin hat sich am Montag in einem Interview zur Lage im Kriegsgebiet Ostukraine geäussert. Der Kremlchef sieht mehr als eine Woche nach den Ukraine-Friedensgesprächen in Minsk eine Chance für eine Normalisierung der Lage im Donbass. Unabdingbar sei der Abzug der Waffen seitens Kiew. Wenn das Abkommen von Minsk und der Abzug schwerer Waffen von der Front «respektiert werden, ist das ein sicherer Weg hin zur Normalisierung der Lage in der Region», sagte Putin im staatlichen russischen Fernsehsender Rossija-1. Russland sei wie Europa nicht an Krieg interessiert, betonte der Präsident.

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