Warnstreiks und HupkonzerteZehntausende protestieren gegen Separatisten
In Donezk haben heute Dienstag zahlreiche Bürger gegen die Gewalt im Osten der Ukraine demonstriert. Sie sind einem Appell des Oligarchen Rinat Achmetow gefolgt.
Der Druck auf die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine wächst. Mit Warnstreiks und Hupkonzerten forderten am Dienstag Zehntausende Bürger ein Ende der Gewalt in der Region, die seit Wochen von Kämpfen erschüttert wird.
In der Ukraine soll am Sonntag ein neuer Präsident gewählt werden. Im umkämpften Osten des Landes konnten die Vorbereitungen jedoch vielerorts noch nicht beginnen. An diesem Mittwoch soll ein dritter runder Tisch zur Lösung der Krise stattfinden. Die Regierung in Kiew hat bereits eingeräumt, dass in weiten Teilen von Donezk und Lugansk keine Abstimmung möglich sein wird.
Separatistenführer hatten am Montag angekündigt, die Ergebnisse der Wahl nicht anzuerkennen. Zugleich beschworen sie die Bevölkerung, endlich zu den Waffen zu greifen. «Ich hätte nie gedacht, dass sich in der ganzen Region nicht einmal 1000 Männer finden, die bereit sind, ihr Leben zu riskieren», sagte der «Verteidigungsminister» der selbst ernannten «Volksrepublik Donezk», Igor Strelkow, in einem Video.
«Banditen und Marodeure»
Der reichste Mann der Ukraine, Rinat Achmetow, reagierte darauf mit einer eigenen, aufsehenerregenden Videobotschaft: «In den Städten herrschen Banditen und Marodeure. Die Menschen sind es leid, in Angst zu leben», sagte der Oligarch.
«Mit Maschinenpistolen durch die Städte des Donbass zu laufen – sollen so die Rechte der Donezker vor der Zentralregierung gewahrt werden?» Das Vorgehen der Separatisten sei ein Kampf gegen die Bürger. «Das ist ein Völkermord am Donbass.»
Zehntausende Bürger reagierten darauf am Dienstag mit kurzfristigen Arbeitsniederlegungen und ohrenbetäubendem Autohupen. Beobachter werteten die Reaktionen als wichtige Geste in dem Konflikt. Die moskautreuen Aktivisten kommentierten den Aufruf mit Schärfe. Achmetow habe sich «für den Terror» gegen das Volk entschieden, sagte Separatistenführer Denis Puschilin.
USA und Nato verlangen Beweise
Die Führung in Kiew setzt ihre «Anti-Terror-Operation» im Osten des Landes unterdessen fort. Bei einem Schusswechsel nahe der Separatisten-Hochburg Slowjansk seien mindestens vier Soldaten leicht verletzt worden, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew mit.
Moskau erklärte unterdessen, dass sich die russischen Truppen auf ihren Abzug aus dem Grenzgebiet zur Ukraine vorbereiteten. Derzeit würden die nötigen Routen ausgearbeitet, die Lager abgebaut und Fahrkolonnen gebildet, zitierte die Nachrichtenagentur Interfax aus einer Erklärung des Verteidigungsministeriums.
Am Montag hatte Präsident Wladimir Putin ein Ende der Militärmanöver an der Grenze angeordnet. Die USA und die Nato erklärten daraufhin, dafür keine Anhaltspunkte zu haben, und verlangten Beweise.
Rund 10'000 Flüchtlinge
Die Unruhen in der Ukraine haben rund 10'000 Menschen in die Flucht getrieben. Vertreibungen hätten bereits vor dem Referendum Mitte März auf der Krim begonnen und «seither allmählich zugenommen», erklärte das UNO-Flüchtlingswerk UNHCR am Dienstag in Genf.
Bei den Flüchtlingen handle es sich mehrheitlich um Tataren, allerdings hätten die örtlichen Behörden zuletzt auch einen Anstieg unter ethnischen Ukrainern, Russen und ukrainisch-russischen Familien gemeldet, sagte UNHCR-Sprecher Adrian Edwards.
Es handle sich vor allem um Binnenflüchtlinge, die in den Westen oder ins Zentrum des Landes auswichen; Asylgesuche von Ukrainern im Ausland gebe es nach wie vor wenige. Hauptfluchtgründe seien «persönliche Bedrohung» oder «Angst vor Unsicherheit und Verfolgung», sagte Edwards.
EU überweist erste Hilfstranche
Die EU-Kommission überwies am Dienstag 100 Millionen Euro an die Ukraine. Das Geld ist nach Angaben der Kommission in Brüssel der erste Teil einer Budgethilfe in Höhe von insgesamt 1,6 Milliarden Euro.
Eine zweite Tranche von 500 Millionen Euro werde «in den nächsten Wochen» überwiesen, sobald eine Absichtserklärung über die Verwendung des Geldes vom Parlament in Kiew beschlossen worden sei. (sda)