«Die USA fahren eine neue Strategie gegen den IS»

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Nahost-Experte zu Libyen«Die USA fahren eine neue Strategie gegen den IS»

Die USA haben Stellungen des IS in Sirte bombardiert. Der Nahost-Experte Roland Popp sagt, warum sie das genau jetzt tun.

von
Viviane Bischoff
Die libysche Armee kämpft schon lange gegen den IS an. Nun hat die Einheitsregierung die USA offiziell um Hilfe gebeten.
Fayez al-Sarraj ist seit dem 15. März 2016 der international anerkannte Ministerpräsident von Libyen. Beim Kampf gegen den «Islamischen Staat» erhält er Unterstützung von den USA.
Premierminister Fayez al-Sarraj besuchte am 1. August das militärische Hauptquartier in Misrata. Mit Hilfe der USA will er den IS aus Libyen vertreiben.
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Die libysche Armee kämpft schon lange gegen den IS an. Nun hat die Einheitsregierung die USA offiziell um Hilfe gebeten.

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Lange war nicht klar, wie aktiv die USA in Libyen sind – doch seit dieser Woche lässt Washington Luftangriffe auf die IS-Hochburg Sirte fliegen. Das Pentagon bestätigte die Angriffe auf die Terrormiliz Islamischer Staat am Montag. Doch was erhoffen sich die USA von dieser militärischen Unterstützung?

Gemäss dem Nahost-Experten Roland Popp setzen die Vereinigten Staaten damit ein Zeichen für die libysche Einheitsregierung. Diese ist seit vier Monaten im Amt, wird aber noch lange nicht von allen akzeptiert. Eine weitere Regierung im Osten des Landes verweigert die Zusammenarbeit, und auch im Rest des Landes fehlt es ihr an Unterstützung.

USA verfolgen zwei Ziele

«Dass die USA nun IS-Stellungen in Libyen angreifen, ist Teil einer neuen Strategie», sagt Popp. Experten gehen zwar davon aus, dass westliche Staaten seit dem Sturz von Muammar al-Ghadhafi 2011 immer in Libyen aktiv waren. Es gäbe Bilder und Verlustmeldungen, die das bestätigten. Neu sei allerdings, dass die USA öffentlich IS-Stellungen in Libyen angreifen.

Gemäss Popp möchte Washington einerseits die Terrororganisation IS auslöschen, andererseits soll durch die Angriffe aber die Einheitsregierung gestärkt werden. Nur so könne Libyen einen neuen Staatsapparat aufbauen.

«IS versucht, das Chaos auszunutzen»

Wie erfolgreich die USA mit den Angriffen sind, müsse sich noch zeigen, meint der Nahost-Experte. Territorial sei der IS sicherlich zurückgedrängt worden. «Das heisst allerdings nicht, dass der Islamische Staat dadurch aus Libyen verschwindet», sagt Popp.

«Ähnlich wie in Syrien und im Irak hat der IS in Libyen versucht, das Chaos nach dem Sturz von Ghadhafi 2011 auszunutzen.» Doch anders als in anderen Staaten gab es in Libyen früh Gegenwehr. «Die USA machten klar, dass man vehement gegen den IS am südlichen Mittelmeer vorgehen würde.» Schliesslich haben die USA starke Sicherheitsinteressen in dieser Region.

«Libyen könnte ein erfolgreicher Staat sein»

Ob die Einheitsregierung es schaffe, sich durchzusetzen, sei offen. «Es gibt eine Tendenz zur Akzeptanz», so Popp. Die internationalen Organisationen gaben der Einheitsregierung beispielsweise erstmals Zugriff auf milliardenschwere libysche Auslandskonten. Diese wurden nach dem Sturz von Ghadhafi gesperrt.

«Das Geld bietet der Einheitsregierung grosse Einflussmöglichkeiten. Sie könnte damit Unterstützung kaufen», sagt Popp. Neutral betrachtet sei es im Sinne des libyschen Volkes, dass sich eine Regierung durchsetzen könne. Für Popp ist klar: «Dank der vielen Ressourcen, die das Land besitzt, könnte Libyen mittelfristig zu einem erfolgreichen Staat heranwachsen.»

Der Historiker und Sicherheitsexperte Roland Popp forscht am Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich.

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