Zweifel an Regisseur«In Kalifornien existiert kein Sam Bacile»
Ein Anti-Islam-Film, der zu tödlichen Anschlägen auf US-Botschaften in Libyen und Ägypten führte, wirft immer mehr Fragen auf. Der angebliche Regisseur ist nirgends bekannt.
Bei einem Angriff auf die amerikanische Botschaft in Libyen kamen am Dienstag der Botschafter, Chris Stevens, sowie drei weitere Angehörige der Vertretung ums Leben. Ob der Anschlag selber in direktem Zusammenhang mit den Protesten zu einem umstrittenen Film steht oder diese nur als Ablenkung dienten, ist unklar. Die US-Regierung befürchtet, dass es zu weiteren Anschlägen auf amerikanische Einrichtungen in der islamischen Welt kommen könnte. Die USA verlegen bereits Kriegsschiffe vor die libysche Küste.
Unterdessen aber gibt es immer mehr Zweifel an dem Macher des Films. Ist alles nur vorgetäuscht? Und wer sind dann die wahren Drahtzieher hinter dem rund zweistündigen Film «Innocence of Muslims» («Die Unschuld der Muslime»), in dem unter anderem der Prophet Muhammad als homosexueller Kinderschänder dargestellt werde?
Kein Staatsbürger mit diesem Namen bekannt
Die Ausschnitte wurden am 2. Juli von einem User mit dem Pseudonym Bacile online gestellt. Journalisten nahmen Kontakt mit dem User auf. In einem Telefongespräch mit der Nachrichtenagentur AP stellte sich dieser Sam Bacile vor. Er sei ein 56-jähriger in Israel geborener jüdischer Projektentwickler aus Kalifornien und Autor, Produzent und Regisseur des Films. Gegenüber dem «Wall Street Journal» sagte er: «Der Islam ist ein Krebsgeschwür.»
Am Mittwoch kamen jedoch im Laufe des Tages immer mehr Zweifel an der Richtigkeit dieser Informationen auf. Ein christlicher Aktivist, der an dem Filmprojekt beteiligt gewesen sein will, erklärte, Bacile sei ein Pseudonym und der Mann weder Jude noch Israeli. Eine Gruppe von im Nahen Osten geborenen Amerikanern hätte an dem Film mitgearbeitet.
Tatsächlich sprechen Indizien dafür, dass die Identität des Hintermannes Sam Bacile reine Erfindung sein könnte. Israelischen Kreisen zufolge gibt es im Land keinen Eintrag über einen israelischen Staatsbürger mit diesem Namen. Sarah Posner, Journalistin der «Religion Dispatches», einem Magazin über Religion, Politik und Kultur, bestätigt die Zweifel: «Für die Zeit, bevor der Trailer im Juli 2012 auf YouTube online gestellt wurde, finden sich keine Belege dafür, dass es den Projektentwickler Sam Bacile in Kalifornien wirklich gibt.»
Zwar spuckt Google unzählige Suchtreffer aus, die scheinbar älteren Datums als Mai 2012 sind. Bei genauerem Betrachten zeigt sich aber, dass es keine wirkliche Informationen zur Person gibt. Ausserdem enthalten etliche Suchtreffer lediglich dynamische Links auf die aktuellen News. Zur Zeit, als der Google-Crawler die Webseiten indizierte, enthielten diese also gar keine Inhalte zu Sam Bacile.
Videos nicht mehr im Netz
Nach Angaben eines Informanten soll der Dreh zum Film rund 5 Millionen Dollar gekostet haben. Finanziert wurde er mittels Unterstützung von mehr als 100 jüdischen Spendern. Laut Recherchen des «Guardian» gibt es in Hollywood, wo der Film entstanden sein soll, keinerlei Spuren zu einer Produktionsfirma: «Der Autor und Regisseur hat offenbar keinerlei Agenten und ist auf keiner einschlägigen Website gelistet», schreibt die Zeitung.
Alles, was wirklich von dem Film derzeit bekannt ist, sind Ausschnitte auf YouTube in englischer und arabischer Fassung. Bekannt wurde der Film in der islamischen Welt vor allem durch den in Ägypten geborenen Christen Morris Sadek. Er hat diesen auf seiner Website verlinkt, woraufhin ägyptische Medien auf den Clip aufmerksam wurden.
Während die Ausschnitte in den USA am Mittwoch noch online angeschaut werden konnten, wurden sie in Ägypten aus dem Netz entfernt. Wer in Kairo das Video auf YouTube anschauen wollte, bekam stattdessen zu lesen: «Dieser Inhalt ist in Ihrem Land wegen einer Rechtsbeschwerde nicht abrufbar.» Auch der ursprüngliche Trailer auf YouTube ist nicht mehr zu finden. Doch gibt es mittlerweile mehrere Kopien davon.