Steinbrück gegen Merkel«Peitschen-Peer» reitet in Richtung Kanzleramt
Vielen ist der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ein Dorn im Auge. Beissender Spott und rhetorisches Feuerwerk zeichnen den Deutschen aus. Auch die Schweiz kriegte ihr Fett weg.
Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ist ein Mann der klaren Worte. Seine Sprachgewalt und seine Intelligenz werden von vielen gerühmt, seine beissende Ironie wird von manchen als verletzend empfunden. Auch die Schweiz hat ihre Erfahrungen gemacht.
An der Kompetenz des 65-jährigen Steinbrücks gab es nie Zweifel. Er war während der weltweiten Finanz- und Bankenturbulenzen der Krisenmanager der von 2005 bis 2009 regierenden Koalition von CDU/CSU und SPD schlechthin.
Vielen Sozialdemokraten ist der geborene Hamburger und abgewählte Ex-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen aber zu pragmatisch und wirtschaftsfreundlich. Kritiker in den eigenen Reihen nannte der frühere Parteivize «Heulsusen».
Netzwerke waren nie etwas für den passionierten Schach- und Billardspieler, Vielleser und Filmfan. In seinem Element ist der Diplomvolkswirt, wenn er das grosse Rad drehen kann: Erst Banken retten, jetzt regulieren.
«Zuckerbrot und Peitsche»
Steinbrück ist in der Schweiz kein Unbekannter. Seine zuweilen groben Sprüche in der Debatte um unversteuerte Gelder erhitzten hierzulande die Gemüter.
«Statt Zuckerbrot müssen wir auch zur Peitsche greifen» - mit diesen Worten unterlegte Steinbrück in seiner Funktion als deutscher Finanzminister im Herbst 2008 seine Forderung, die Schweiz auf die Liste der Steueroasen zu setzen. In Bern wurde daraufhin der deutsche Botschafter ins Aussendepartement bestellt.
Im Frühjahr 2009 verglich Steinbrück die Liste von Steuerparadiesen, welche die OECD führen soll, mit der «siebten Kavallerie vor Fort Yuma», die man ausreiten lassen könne. Dies sei aber nicht unbedingt nötig, «die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt».
Dieser bildhafte Vergleich löste in der Schweiz einen regelrechten Sturm der Entrüstung aus. Politiker und Politikerinnen bis hinauf zur damaligen Aussenministerin Micheline Calmy-Rey kritisierten die Äusserungen Steinbrücks. Erneut wurde der deutsche Botschafter einbestellt.
Nach dem Ausscheiden von Steinbrück aus der deutschen Regierung glätteten sich die Wogen im Steuerstreit etwas. Steinbrücks Nachfolger auf dem Posten des Finanzministers, Wolfgang Schäuble, handelte mit der Schweiz das von Deutschland noch nicht ratifizierte Steuerabkommen aus.
Karrierestart unter Schmidt
Seine politische Karriere startete Steinbrück unter der SPD/FDP- Bundesregierung von Helmut Schmidt, 1978 bis 1981 war er im Kanzleramt im Bereich Forschungspolitik tätig. Schmidt und Steinbrück sind noch heute eng verbunden.
Nach Stationen als Wirtschafts- und Finanzminister von Nordrhein- Westfalen wurde Steinbrück 2002 Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes. 2005 wurde Steinbrück trotz der krachenden Niederlage der Sozialdemokraten in den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen zum Finanzminister in Berlin berufen.
Dieses Amt übte er in der grossen Koalition unter Merkel von November 2005 bis Oktober 2009 aus. Er verschrieb sich dem Schuldenabbau und schreckte - zum Leidwesen vieler Genossen - auch vor unpopulären Sparmassnahmen nicht zurück. Steinbrück ist verheiratet und hat drei Kinder.
Kühler Rechner
Eines der Hauptprobleme des 65-jährigen Hanseaten ist sein Verhältnis zur eigenen Partei. Wenn es bei den Sozialdemokraten mal wieder ganz arg sozialdemokratisch zugeht, platzt ihm gerne der Kragen. Insbesondere bei den SPD-Linken hält sich die Beliebtheit des kühlen Rechners in Grenzen, der aktuelle Rentenstreit könnte hier zur Nagelprobe werden.
Herrliche Kostproben von Steinbrücks Reden und Interviews:
Peer und die Bonzenschleuder, 2009: Steinbrück besucht eine Berliner Schule für angehende Bank-und Versicherungskaufleute. Geduldig stellt er sich den Fragen der rund 300 Schüler. Ärgerlich wird der Minister nur, als er nach den gepanzerten Limousinen der Politiker gefragt wird. Wie immer findet Steinbrück dafür klare Worte. (YouTube)
Virtuoser Wortjongleur Peer Steinbrück, 2011 (YouTube) (kub/rey/sda)
Mehrheit der Deutschen hält Steinbrück für guten Kanzlerkandidaten
Die Mehrheit der Deutschen hält Peer Steinbrück laut einer Blitzumfrage für die ARD-«Tagesthemen» für einen guten Kanzlerkandidaten. Demnach finden 58 Prozent, Steinbrück sei ein guter Kanzlerkandidat für die SPD. 21 Prozent sind nicht dieser Meinung.
Bei den SPD-Anhängern ist die Zustimmung für Steinbrück noch grösser: 75 Prozent halten ihn für einen guten Kanzlerkandidaten, 15 Prozent nicht.
Wenn die Deutschen die Bundeskanzlerin oder den Bundeskanzler direkt wählen könnten, läge Kanzlerin Angela Merkel allerdings klar vor ihrem SPD-Herausforderer. Laut ARD-«DeutschlandTrend» würden sich 50 Prozent für Merkel entscheiden, 36 Prozent für Steinbrück.
In den Punkten Sympathie und Glaubwürdigkeit rangiert Merkel vor Steinbrück. Ein Drittel der Befragten (35 Prozent) ist der Meinung, dass Merkel die Euro- und Schuldenkrise besser bewältigen kann als der ehemalige Finanzminister (25 Prozent).
Dagegen liegt Steinbrück beim Thema soziale Gerechtigkeit vorn. 40 Prozent finden, dass Steinbrück sich stärker für soziale Gerechtigkeit einsetzt, 24 Prozent denken dies über Merkel. (sda)