Mediziner im Gaza-Streifen«Ärzte beleuchten das OP-Feld mit Handys»
Es gibt kaum Medikamente und Verbandszeug, und manchmal fällt der Strom aus: Die Ärzte im Schifa-Spital in Gaza kämpfen unter schwierigsten Bedingungen um das Leben der Patienten.
Überall sind Schreie zu hören. Eine Frau weint hysterisch, ein Mann hält wehklagend sein totes Kind im Arm. Nach einem Panzer-Angriff werden Verletzte ins Schifa-Spital in Gaza-Stadt getragen.
Mitten im Chaos versuchen Ärzte, die Nerven zu behalten, rationale Entscheidungen zu treffen. «Manchmal muss man auswählen, wer die besten Überlebenschancen hat», sagt Arzt Allam Najef. «Schnell entscheidet man in dieser Hetze falsch. Man denkt, einer wird auf dich warten, aber dann ist er nicht mehr da, wenn du eine andere Operation beendet hast.»
18 Zivilisten sterben, Polizeichef von Gaza überlebt
In dieser Nacht der Gefechte zwischen israelischen Soldaten und der Hamas um das Viertel Schidschaija wird ein Patient mit schweren Hirnverletzungen eingeliefert. Seine Prognose ist schlecht. Alles, was Dr. Najef tun kann, ist ihn zu stabilisieren.
Ein 22-jähriger Patient ist schwer am Kopf verletzt. Israelische Geschütze landeten auf seinem Wohnhaus. 18 Mitglieder seiner Familie wurden getötet. Eigentliches Ziel der Israelis war aber der Polizeichef von Gaza, der überlebt hat. Mehr als 3000 Palästinenser sind seit Beginn der Kämpfe bei den israelischen Angriffen verletzt worden. Viele von ihnen kommen ins Schifa.
Internetkabel wird zum Pulsmesser
Das Spital ist mit einer Kapazität für 600 Patienten das grösste Krankenhaus im Gaza-Streifen. Die Ärzte und Krankenschwestern sind notgedrungen Meister im Improvisieren. «Was machen die Palästinenser, wenn während einer Operation der Strom ausfällt?», fragt Mads Gilbert, ein norwegischer Arzt, der freiwillig im Schifa-Spital arbeitet. «Sie nehmen ihre Mobiltelefone und nutzen das Licht, um das OP-Feld zu beleuchten.» Dr. Najef hat sogar einmal ein Internetkabel zum Pulsmesser umfunktioniert.
Die Ärzte arbeiten in 24-Stunden-Schichten. Ein Lager mit einem alten Sofa dient ihnen als Ruheraum. Schon vor Beginn des Krieges war die Not im Gaza-Streifen gross. Es fehlte fast an allem - an Medikamenten, Verbandszeug, Ersatzteilen. Die Engpässe im Krankenhaus sind auch dem jahrelangen israelisch-palästinensischen Konflikt und der Rivalität zwischen Hamas und dem vom Westen unterstützen Präsidenten Mahmud Abbas geschuldet.
«Krise hat Kollegen näher zusammengebracht»
Gilbert, der norwegische Arzt, hilft mehrmals im Jahr im Schifa-Spital aus. Diesmal hat er Scheinwerfer für die OP-Säle mitgebracht. Auch die stehen auf der Liste der Gegenstände, die nicht eingeführt werden dürfen. Gilbert fühlt eine starke Bindung zu seinen palästinensischen Kollegen. Er sagt, sie leisteten gute Arbeit unter den besonderen Gegebenheiten, auch wenn sie sich von aller Welt verlassen fühlen. «Ich bin kein Held», sagt der 67-Jährige. «Diese Leute sind die wahren Helden. Denn wir gehen und sie bleiben zurück.»
Die jetzigen Kämpfe sind während des Fastenmonats Ramadan ausgebrochen. Viele Krankenhausangestellte befolgen trotz des schweren Schichtdienstes die Fastenregeln. «Die Krise hat viele Kollegen näher zusammengebracht», erzählt Dr. Najef, der schon seit Monaten kein Geld mehr bekommen hat. «Wenn wir nur für das Gehalt arbeiten würden, wäre keiner von uns mehr hier.» Najef: «Wir sind hier, um unsere Patienten zu betreuen, unsere Familien, Freunde und Nachbarn.»