Interview mit Assad-Anhänger«Die syrische Armee hatte viel Geduld»
Seit einem Jahr lebt der Syrer Iyad Bader in der Schweiz. Der 35-Jährige arbeitete in der Regierung von Baschar al-Assad. Er verteidigt dessen Politik vehement.

Iyad Bader ist Alewit und kommt aus Syrien.
Die Fronten im Syrien-Konflikt sind verhärtet. Alle Verhandlungen sind bis jetzt gescheitert. Einer, der den Krieg hautnah miterlebt hat, ist der Syrer Iyad Bader. Der 35-Jährige lebte in einem Vorort von Damaskus. Seit einem Jahr ist er mit einer Schweizerin verheiratet. Bader gehört wie Syriens Präsident Baschar al-Assad zur Glaubensgemeinschaft der Alawiten. Er kann nicht verstehen, warum in den westlichen Medien der Konflikt mehrheitlich «aus Sicht der Rebellen», wie er sagt, gezeigt wird. Bader war in der syrischen Regierung im Kulturministerium angestellt. Er will seine Sicht des Konflikts darlegen.
Herr Bader, laut einem UNO-Bericht foltern in Syrien sowohl Rebellen als auch Regierungstruppen systematisch Kinder. Wie geht es Ihnen, wenn Sie solche Berichte lesen?
Iyad Bader: Diese Berichte stimmen nicht. Ich habe erlebt, wie die syrische Armee Kinder und Frauen aus umkämpften Häusern abziehen liess. So war es in Daraa, in Homs, in Damaskus und in Aleppo.
Bestreiten Sie auch, dass die syrische Armee Verbrechen an Zivilisten verübt hat?
Ja. Die westlichen Medien verbreiten immer, dass Assad mit Gewalt reagiert. Aber das stimmt nicht. Die syrische Armee hatte viel Geduld. In den Augen vieler Alawiten hatte Assad sogar zu lange mit einer Reaktion gewartet.
Eine Reaktion auch mit Giftgas?
Assad hat nie Giftgas eingesetzt. Ein solcher Giftgasangriff kann nicht gezielt durchgeführt werden. Denn das hiesse, dass man den Tod der eigenen Leute in Kauf nehmen würde. Das würde Assad nie tun. Es waren die Rebellen, die das Giftgas in kleinen Mengen einsetzten. Sie kennen keine Menschlichkeit. Ausserdem würde Assad niemals Sarin verwenden. Dieses Giftgas ist veraltet. Zudem bin ich der Überzeugung, dass er modernere chemische Waffen besitzt. Assad hat zudem die UNO-Inspektoren den Vorfall untersuchen lassen.
Worum geht es in Ihren Augen beim Syrien-Krieg?
Die syrische Regierung verteidigt die Freiheit gegenüber Al Kaida, gegenüber den Salafisten. Es gibt keinen Bürgerkrieg in Syrien, wie alle immer behaupten. Natürlich gibt es eine Opposition. Diese Opposition hat sich mit der Regierung im Hotel Semiramis in Damaskus 2011 getroffen. Sie haben sich dort auf einige Vertragsänderungen geeinigt, beispielsweise auf den Paragraphen 8, in dem festgelegt wurde, dass der Präsident nicht mehr auf Lebzeiten gewählt werden kann. Die sogenannten Rebellengruppen hingegen, die man in den westlichen Medien fälschlicherweise «Opposition» nennt, bestehen aus Islamisten, die aus Syrien einen islamischen Gottesstaat machen wollen.
Andere sagen, die Opposition wolle die Demokratie.
Welche Demokratie? Es gab doch schon Demokratie. In Syrien lebten Sunniten, Schiiten und Alawiten friedlich zusammen. Syrien hatte und hat genau ein grosses Problem: die Korruption. Das wollten die Studenten, die Intellektuellen und Schüler ändern. Aber nicht mit Waffen. Die Waffen kamen mit den Islamisten. Assad wollte sich ja einer Neuwahl stellen.
Sie haben mir vorher ein Bild auf Ihrem Handy gezeigt, das Sie mit einem umgehängten Gewehr zeigt. Haben Sie selbst am Krieg teilgenommen?
Nein. Ich hasste es, eine Waffe tragen zu müssen. Aber ich hatte keine andere Wahl. Schliesslich musste ich meine Familie, meine Schwestern irgendwie schützen. In einem Vorort von Damaskus zu leben, war gefährlich. Einmal wurden sechs Leute von uns von den Rebellen entführt. Wir wurden angegriffen, weil wir Alawiten sind und nicht an einen Gottesstaat glauben, sondern einen säkularen Staat unterstützen. Zum Glück konnten wir ebenfalls sieben Rebellen gefangen nehmen. Es kam zu einem Austausch. Wir hatten die Rebellen nicht angefasst. Doch unsere Leute mussten mit Verletzungen ins Spital.
Was machten Sie in Syrien, bevor Sie das Land verlassen haben?
Ich habe in Damaskus Journalismus studiert und war im Kulturministerium angestellt. In Damaskus habe ich auch meine jetzige Frau, eine Schweizerin, kennengelernt. Als der Krieg immer schlimmer wurde, habe ich mich entschieden, das Land zu verlassen. Auch wollten ich und meine Frau in der Schweiz heiraten.
Auf welchem Weg kamen Sie in die Schweiz?
Es war eine gefährliche Reise. Ich fuhr mit dem Auto nach Beirut. Auf dem Weg waren Mörser-Geschosse und Scharfschützen die grössten Gefahren. In Marokko habe ich meine Frau getroffen. Wir mussten für meine Einreise in die Schweiz viele Papiere ausfüllen. Danach musste ich zurück nach Syrien und vier Monate warten. Die zweite Reise führte mich über Beirut und Rom in die Schweiz.
Nun leben Sie seit einem Jahr in der Schweiz. Welche Rolle sollten die Schweiz und andere Staaten wie die USA beim Syrien-Konflikt übernehmen?
Sie sollten dafür sorgen, dass keine ausländischen Islamisten über die Türkei, Jordanien und den Libanon nach Syrien gelangen – und dass die finanzielle Unterstützung aus Saudi-Arabien und Katar gestoppt wird. Zudem sollten sie dafür sorgen, dass die mediale Berichterstattung über Syrien den Tatsachen entspricht. Es ist mir absolut unverständlich, dass ausgerechnet Staaten wie die USA Assad verurteilen. Assad und seine Armee verteidigen doch genau die Werte des Westens gegen die Islamisten. Damit meine ich die Akzeptanz der Religionszugehörigkeit sowie die Bewahrung der Traditionen und der Verteidigung der staatlichen Institutionen.
Welche Lösung gibt es im Syrien-Konflikt?
Wir möchten Wahlen unter Aufsicht aller Mitspieler in diesem Konflikt.