11'000 Menschen nach Mordserie verhaftet

Aktualisiert

Bangladesh11'000 Menschen nach Mordserie verhaftet

Ein Christ und ein Hindu werden mit Macheten ermordet, Aktivisten und Intellektuelle ins Visier genommen. Die Regierung in Bangladesh reagiert mit beispielloser Härte.

von
gux
In den letzten Tagen nahm die Polizei in Bangladesh über 11'000 Menschen fest.
Darunter auch Mitglieder der seit 2005 verbotenen islamistischen Gruppierung Jamayetul Mujahideen Bangladesh (JMB). Kritiker der Massenverhaftungen werfen der Regierung vor, damit nicht Kriminelle, sondern politische Gegner mundtot machen zu wollen. Zudem stachle sie mit diesem harten Vorgehen die Gewalt im Land zusätzlich an.
Seit 2013 häufen sich Anschläge auf Religionskritiker, Intellektuelle und Angehörige religiöser Minderheiten. Dahinter stecken radikale Islamisten, die aus dem Land einen Gottesstaat machen wollen. Der «Islamische Staat» hat sich zu einer Reihe der Anschläge bekannt, ...
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In den letzten Tagen nahm die Polizei in Bangladesh über 11'000 Menschen fest.

AP

Es brodelt in Bangladesh: Vergangene Woche wurden hintereinander ein Christ in seinem Geschäft und ein 60-jähriger Hindu-Geistlicher mit einer Machete zu Tode gehackt. Unbekannte töteten zudem die Frau eines hohen Polizeioffiziers. Dazu kommen Anschläge auf Atheisten, Künstler und Homosexuelle, die in Bangladesh mittlerweile an der Tagesordnung sind.

Auf diese Gewalt reagiert die Regierung mit einem Rundumschlag: Die Polizei verhaftete in den letzten Tagen landesweit über 11'000 Personen. Dazu wurden in den letzten vier Tagen 150 Mitglieder der seit 2005 verbotenen islamistischen Gruppierung Jamayetul Mujahideen Bangladesh (JMB) verhaftet.

500 Bomben an einem Tag

Die JMP will im säkularen Bangladesh mit seiner muslimischen Mehrheit einen islamischen Gottesstaat mit Scharia errichten. Die fundamentalistische Organisation machte 2005 international Schlagzeilen, als sie am 17. August in mehreren Distrikten 500 Bomben zündete. Seither ist die JMB verboten. Seit 2013 hat sie sich im Untergrund indes neu organisiert und verübt seither Anschläge auf Religionskritiker, Intellektuelle und Angehörige religiöser Minderheiten.

Zu der aktuellen Mord- und Anschlagsserie bekannten sich allerdings die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und der südasiatische Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida. Die Regierung von Ministerpräsidentin Sheikh Hasina macht dagegen einheimische Islamistengruppen verantwortlich, darunter die JMB, und bestreitet, dass der IS in Bangladesh aktiv ist.

«Die Gefängnisse platzen aus allen Nähten»

Die aktuellen Massenverhaftungen scheinen die Lage im Land indes nicht zu befriedigen. Die Opposition wirft der Regierung vor, dies ohnehin nicht zu wollen – ihr gehe es vor allem darum, ihre politischen Gegner mundtot zu machen. So seien nicht nur gewöhnliche und unschuldige Menschen, sondern auch Hunderte Aktivisten der Opposition festgenommen worden, wie der Generalsekretär der Bangladesh National Party (BNP), Fakhrul Islam Alamgir, sagte. Mit ihrem harten Vorgehen heize die Regierung die Gewalteskalation erst recht an, so ein weiterer Vorwurf.

Sicher ist, dass die Gefängnisse im Land Verhaftungen in diesem Umfang nicht stemmen können. «Sie platzen aus allen Nähten», heisst es im jüngsten Bericht der in Brüssel ansässigen International Crisis Group.

Justiz verliert zunehmend an Glaubwürdigkeit

Das Justizsystem des Landes sei mittlerweile dermassen politisiert und dysfunktional, dass es die Gesetze mehr ausheble als stütze. Der Bericht schliesst sich dem Vorwurf der Opposition an: Die Regierung von Ministerpräsidentin Hasina habe in den letzten Jahren weniger die Kriminalität als vielmehr ihre politischen Gegner im Visier. «Die Konsequenz daraus: Die Gefängnisse ächzen unter den Massenverhaftungen von Oppositionsführern und Aktivisten.»

Die Judikative werde von der Bevölkerung zunehmend als parteiisch wahrgenommen und verliere ihre Glaubwürdigkeit. «Das Rechtssystem von Bangladesh bewegt sich zwischen zwei Extremen: beklagenswert langsam und ineffektiv in Fällen gewöhnlicher Kriminalität, überschnell und vorpreschend in den politisch aufgeladenen Prozessen.»

Die Regierung Hasina wies den Bericht als nicht objektiv zurück.

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