Terror gegen Europäer ist von langer Hand geplant

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IS-Strategie enthülltTerror gegen Europäer ist von langer Hand geplant

Der IS-Terror gegen Europäer fusst auf jahrelanger Planung. Zahlreiche Hinweise haben die Ermittler ignoriert.

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Die Anschläge in Paris und Brüssel haben Europa wachgerüttelt. Dabei gab es seit Anfang 2014 Dutzende Hinweise auf eine Anschlagsstrategie der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf Europäer. Nationale Sicherheitsorgane haben diese laut Recherchen der «New York Times» übersehen oder unterschätzt.

Der erste bekannte IS-Jihad-Rückkehrer mit terroristischen Absichten ging der französischen Polizei am 11. Februar 2014 ins Netz. Der Franzose Ibrahim Boudina hatte in Syrien ein Anschlagstraining absolviert und Sprengstoff bei sich. In der Folge fielen Ermittlern in Italien, Spanien, Belgien, Frankreich, Griechenland, im Libanon und in der Türkei mindestens 20 weitere gefährliche Rückkehrer auf.

Baghdadi direkt unterstellt

Manche dieser Rückkehrer konnten ihre Pläne ausführen wie etwa Mehdi Nemmouche, der im Mai 2014 im jüdischen Museum in Brüssel vier Menschen tötete. Andere wurden vorher gefasst. Doch es dauerte Jahre, bis den europäischen Sicherheitsbehörden bewusst wurde, was diese vermeintlichen Einzelfälle verband: die syrische IS-Spezialabteilung für Anschläge auf Europäer.

Leiter dieser Abteilung ist Abu Muhammad al-Adnani. Der Mann, der im Juni 2014 in einer Audiobotschaft zu Anschlägen gegen Europäer aufgefordert hatte, ist dem IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi direkt unterstellt.

Schon 650 Todesopfer

Die Aktionen der Abteilung zielen auf Europäer – in ihrer Heimat und in beliebten Tourismusdestinationen ausserhalb Europas. Sie umfassen sowohl Taten von sogenannten lone wolves (Einzeltätern), die durch Propaganda angestachelt werden, als auch ausgetüftelte Grossangriffe, die direkt von IS-Mitgliedern geleitet werden.

Die Mitarbeiter der IS-Abteilung rekrutieren geeignete Jihadisten und trainieren sie in einer Schnellbleiche im Umgang mit Waffen und Sprengsätzen. Die künftigen Attentäter lernen alles Nötige über die geeignete Software zur Datenlöschung und über Verschlüsselungsprogramme. Zudem lernen sie, unbemerkt von Syrien aus an ihren Zielort zu reisen.

Netzwerk von Bombenexperten

Anfang 2014, beim eingangs erwähnten Jihadisten Boudina, fanden die Ermittler 600 Gramm des Sprengstoffs TATP. Derselbe Explosivstoff wurde im November 2015 in Paris und im März 2016 in Brüssel eingesetzt, allerdings in weitaus grösseren Mengen: Je ein halbes Kilogramm befand sich in den Sprengstoffwesten in Paris, je 15 bis 30 Kilogramm in den Bomben in Brüssel.

Die Terroristen haben den Umgang mit dem hochriskanten Sprengstoff TATP erstaunlich schnell gemeistert. Laut dem US-Sprengstoffexperten Michael Marks ist dies ein klares Anzeichen auf ein IS-Attentats-Netzwerk: «Dass die Terroristen diesen Sprengstoff sicher handhaben und ihn mehrfach einsetzen konnten, deutet auf einen hohen Organisationsgrad hin», sagte er zur «New York Times».

Abaaoud – ein alter Bekannter

Im Zusammenhang mit der IS-Spezialabteilung taucht ein anderer bekannter Name auf: Abdelhamid Abaaoud (siehe Infografik oben). Der Belgier, der am 18. November 2015 bei einer Razzia im Pariser Vorort Saint-Denis von der Polizei erschossen wurde, galt als Kopf der Anschläge von Paris und Brüssel sowie eines letzte Woche vereitelten Anschlags in einem Pariser Vorort. Dass sein Name in vielen weiteren Ermittlungsakten in ganz Europa steht, fiel lange niemandem auf.

Abaaoud war in der IS-Spezialabteilung für die Anschläge auf Europäer in Europa zuständig – und soll laut Medienberichten schon mindestens 90 potenzielle Attentäter trainiert und nach Europa geschleust haben.

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