Luftangriffe in SyrienDeutschland will wissen, wo die Bomben fielen
Die Amerikaner haben nichts gegen Russlands Eingreifen in Syrien, sofern IS-Ziele angegriffen werden. Genau das will Deutschland rasch klären.
Russland hat erstmals Luftangriffe in Syrien geflogen. Das russische Verteidigungsministerium bestätigte die Luftangriffe auf Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien. Kampfjets hätten Munitionsdepots und Treibstofflager des IS etwa 200 Kilometer von Damaskus entfernt bombardiert, sagte Generalmajor Igor Konaschenkow vom Verteidigungsministerium in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe enge Verbündete Russlands informiert, sagte er.
Verschiedene internationale Medien berichten higegen, dass die russischen Angriffe in Gebieten geschahen, in denen nicht der IS sondern Rebellen der Free Syrian Army angesiedelt seien. Reuters zitiert ein Kader-Mitglied der FSA, die gegen Präsident Assad kämpft: «Im Gebiet nördlich von Hama gibt es keine Stellung des IS sondern ist vollständig unter der Kontrolle der Free Syrian Army.» Auch Gebiete um die Stadt Homs, die von russischen Bomben getroffen wurden, stehen nach Angaben von Reuters unter der Kontrolle von Rebellengruppen. Der IS operiere hingegen nicht in diesem Gebiet.
Auch aus diplomatischen Kreisen in Paris hiess es, die russischen Luftangriffe hätten sich offenbar nicht gegen die IS-Extremisten gerichtet. Das Ziel seien vielmehr «Oppositionsgruppen» gewesen, hiess es aus diplomatischen Kreisen in Paris. Die Angriffe seien daher vor allem eine Unterstützung der Regierung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad gewesen.
USA bestätigen: Nicht nur IS-Ziele angegriffen
Russland hat bei seinen Luftangriffen in Syrien am Mittwoch nach US-Informationen auch Gebiete bombardiert, in denen es keine Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat gibt. Dies sagte Verteidigungsminister Ashton Carter, nannte aber keine Details.
Deutschland fordert Aufklärung über die Ziele der russischen Luftangriffe in Syrien. Noch gebe es keine verlässlichen Informationen darüber, sagte Aussenminister Frank-Walter Steinmeier am Mittwoch am Rande der UN-Vollversammlung in New York. Russland müsse selbst grosses Interesse daran haben, dies rasch zu klären.
Russland im Kampf gegen den IS willkommen
Die USA sind nach Worten von Aussenminister John Kerry nicht grundsätzlich gegen ein militärisches Eingreifen Russlands in den Syrien-Konflikt. So lange sich die russischen Luftangriffe gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) richten, «sind wir bereit, diese Bemühungen zu begrüssen», sagte Kerry am Mittwoch bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York. Allerdings dürfe mit den Angriffen nicht der syrische Machthaber Baschar al-Assad gestützt werden. «Wir haben deutlich gemacht, dass wir ernste Sorgen hätten, sollte Russland Gebiete angreifen, in denen mit dem IS und al-Qaida verbundene Ziele nicht operieren», sagte Kerry. Dies würde Russlands «ernsthafte Absichten» beim Kampf gegen die Jihadisten in Frage stellen.
US-Präsident Barack Obamas Sprecher Josh Earnest erklärte zu den ersten russischen Luftangriffen in Syrien, es sei «zu früh zu sagen, welche Ziele sie anvisiert haben und welche Ziele am Ende getroffen wurden». In US-Verteidigungskreisen hiess es allerdings, dass die russischen Kampfjets statt der IS-Miliz die Oppositionstruppen ins Visier genommen hätten.
Kerry sagte, Washington sei bereit zu einer Abstimmung mit dem russischen Militär, um Zwischenfälle zu vermeiden. «Wir haben Russland informiert, dass wir bereit sind, diese Gespräche so schnell wie möglich abzuhalten: diese Woche», sagte der Aussenminister. Die US-Luftangriffe in Syrien würden aber unabhängig von Absprachen mit Moskau weitergeführt. Präsidentensprecher Earnest sagte, dass US-Militärvertreter mit der russischen Seite im Kontakt stünden, «um diese Diskussionen einzurichten».
Russland interveniert auf Bitte von Assad
Erst am Morgen hatte Präsident Wladimir Putin vom russischen Parlament die Erlaubnis für den Militäreinsatz im Ausland bekommen. Nach Angaben des Kremls hatte der syrische Machthaber Baschar al-Assad um russische Militärhilfe gebeten. Den Einsatz von russischen Bodentruppen in Syrien schloss Putin aus.
Russland werde die syrische Armee so lange unterstützen, bis diese ihren Einsatz beendet habe, sagte Putin bei einem Treffen mit Regierungsvertretern. «Der einzige richtige Weg im Kampf gegen den internationalen Terrorismus ist es, vorausschauend zu handeln», sagte Putin. «Kämpfer und Terroristen» müssten in den Gebieten bekämpft und vernichtet werden, die sie bereits erobert hätten, statt «darauf zu warten, dass sie zu uns kommen».
Zuvor hatten bereits US-Verteidigungskreise die Angriffe in dem Bürgerkriegsland bekannt gemacht. Der US-Sender CNN berichtete, Russland habe nahe der syrischen Stadt Homs einen Luftangriff gegen Rebellen geflogen. Kurz davor habe ein russischer General die US-Botschaft in Bagdad über den Angriff informiert, berichtete der TV-Sender unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten US-Regierungsbeamten.
Der General habe einem Militärattaché gesagt, dass der Angriff innerhalb einer Stunde stattfinden werde, ohne den Ort zu nennen, hiess es. Zudem habe er die USA aufgefordert, Kampfflugzeuge aus dem syrischen Luftraum abzuziehen.
27 Tote
Die Einsätze des US-geführten Bündnisses gingen am Mittwoch aber planmässig weiter, wie der Sprecher der Mission zur Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mitteilte. Von Zwischenfällen der beiden Militärs wurde nichts bekannt.
Auch die syrische Luftwaffe setzte ihre Angriffe fort: Wie die oppositionelle Syrische Beobachterstelle für Menschenrechten (SOHR) mitteilte, wurden bei Angriffen in der Provinz Homs mindestens 27 Menschen getötet, darunter sechs Kinder.
In Homs tobt seit vier Jahren ein erbitterter Kampf zwischen den Truppen von Bashar al-Assad und den Rebellen. Noch immer halten die Rebellen mindestens ein Viertel. Auch der Islamische Staat (IS) hat mehrere Gebiete in Homs und der Umgebung erobert. (bee/sda/afp)