«Solche Angriffe kann man unmöglich verhindern»

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Polizistenmord in Frankreich«Solche Angriffe kann man unmöglich verhindern»

Wochen bevor Larossi Abballa bei Paris zwei Polizisten ermordete, baute er einen Sushi-Lieferservice auf. Es könnte eine bewusste falsche Fährte gewesen sein.

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Yves Lefebvre, Generalsekretär der grössten französischen Polizeigewerkschaft Unité SGP, freut sich, dass die Erlaubnis für Polizisten und Gendarmen verlängert wurde, ihre Dienstwaffen auch in der Freizeit zu tragen.
Innenminister Bernard Cazeneuve hatte nach der Attacke auf ein Polizistenpaar in Magnanville die Regelung bis auf «unbestimmte Zeit verlängert».
Die Opfer: Jean-Baptiste S. (42) und seine Lebenspartnerin Jessica (36).
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Yves Lefebvre, Generalsekretär der grössten französischen Polizeigewerkschaft Unité SGP, freut sich, dass die Erlaubnis für Polizisten und Gendarmen verlängert wurde, ihre Dienstwaffen auch in der Freizeit zu tragen.

Screenshot Youtube

Larossi Abballa (25), der am Montagabend in Magnanville ein Polizistenpaar tötete, war den französischen Behörden bekannt: 2013 wurde er wegen der Rekrutierung von Kämpfern für den Jihad in Pakistan zu drei Jahren Haft und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt.

Nach seiner Haftentlassung Anfang dieses Jahres baute Abballa in Les Mureaux einen Lieferservice für Sushi namens Dr. Food auf. Auf Facebook startete er Ende April eine Umfrage unter seinen Kunden, angeblich um seine Dienstleistungen verbessern zu können.

Liste mit Zielen gefunden

Wollte Abballa nach der Haft ein Leben fern von Terror führen oder war sein Sushi-Service nur eine Strategie, um sich den französischen Sicherheitsdienst vom Leib zu halten?

Vieles deutet darauf hin, dass eher das Zweite der Fall ist: Die Polizei fand beim Polizistenmörder eine Liste mit den Namen potentieller Opfer – Polizisten, Journalisten, öffentliche Personen, Gefängniswärter und Rapper. Beschlagnahmt wurden im Auto des Täters auch drei Messer, darunter die blutverschmierte Tatwaffe, ausserdem ein Koran und weitere islamische Werke.

Gleichzeitig nahmen die Behörden am Dienstag drei Personen im Alter von 27, 29 und 44 Jahren in Gewahrsam, die «in Verbindung» zu Abballa standen.

Wie externe Kämpfer aktiv

Als «einsame Wölfe» oder in kleinen Gruppen – es stellt sich die Frage, wie der Sicherheitsapparat künftig solche Attentate verhindern kann. «Unmöglich», lautet die knallharte Prognose des Islamismusexperten Mathieu Guidère. Dem TV-Sender «France Inter» sagte er: «Wir müssen uns auf eine Rückkehr des gezielten Terrorismus gefasst machen.»

Guidère erinnerte daran, dass kurz vor Beginn des Fastenmonats Ramadan, Sheikh Adnadi, der Sprecher der Terrororganisation Islamischer Staat (IS), «alle Soldaten des Kalifats und damit alle Sympathisanten aufgefordert hat, Attentate vor allem in drei Ländern zu machen: in den USA, in Frankreich und in Grossbritannien». Die Terroristen würden «wie externe Kämpfer aktiv», so der Experte.

Larossi Abballa stand zwar unter Bewachung. Dennoch gelang es ihm, zwei Menschen zu töten. «Wir haben keine Möglichkeit, alle potenziellen Ziele rund um die Uhr zu überwachen. Die Soldaten des Kalifats werden beim IS sogar in der so genannten Taqiya geschult, einer Verschleierungstechnik. Die Kämpfer können sogar vortäuschen, homosexuell zu sein», erklärt Experte Guidère.

Unberechenbar und verschwiegen

Der ehemalige Anti-Terror-Richter Marc Trévidic ist ebenfalls pessimistisch. Trévidic kennt Abballa gut: Er befragte ihn vor drei Jahren wegen der Rekrutierung von sechs Kämpfern für den Jihad. «Er war nicht mit den anderen nach Pakistan gereist, er spielte in der Sache eine kleinere Rolle.» Abballa habe sich zwar in Frankreich nicht militärisch, aber physisch auf den Jihad vorbereitet, sagt Trévidic zu «Le Figaro».

«Ausser den schlechten Einflüssen und seinen regelmässigen Jogging-Runden, um sich fit zu halten, hatten wir ihm nichts vorzuwerfen.» Trévidic beschreibt Abballa als einen «Typen, von denen es in den islamistischen Akten nur so wimmelt: unberechenbar, sein Profil verschleiernd».

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