Christliche MilizSchweizer Söldner im syrischen Bürgerkrieg
Aus aller Welt strömen Freiwillige nach Syrien, um im Bürgerkrieg mitzukämpfen – auch aus der Schweiz. Sie wollen die christliche Minderheit der Assyrer beschützen.
Der syrische Bürgerkrieg ist längst kein Konflikt unter Syrern mehr. Auf der Seite des Assad-Regimes kämpfen iranische und libanesische Einheiten. In den Reihen der Rebellen finden sich Kämpfer aus praktisch allen arabischen Ländern. Auch die zwischen die Fronten geratenen Minderheiten organisieren sich zunehmend in Milizen, um sich im Bedarfsfall verteidigen zu können. Die rund zwei Millionen christlichen Assyrer werden dabei offenbar tatkräftig von Schweizern unterstützt.
Mitte Juni spürte der freischaffende Journalist Andrea Glioti in der Stadt Qamishli an der türkisch-syrischen Grenze den Tessiner Johan Cosar auf, der dort seit 2012 die assyrische Minderheit im Aufbau einer Miliz unterstützt. Der 31-Jährige hat selbst assyrische Wurzeln und war offenbar früher als Ausbilder in der Schweizer Armee tätig. «Wir sind immer noch nicht gut organisiert, und unsere rund tausend Mitglieder haben noch kaum militärisches Training erhalten», wird er in einem Beitrag zitiert, der Anfang Juli in der «Woz» erschienen ist. «Aber wir werden eine richtige Streitmacht, die uns vor allen möglichen Bedrohungen schützen kann.»
Kampf nein, Verteidigung ja
Das Tessiner Nachrichtenportal Tio/20 minuti hat kürzlich mit Johan am Telefon gesprochen: «Ich bin nicht hierhergekommen, um zu kämpfen. Aber sollten ich oder mein Volk angegriffen werden, werden wir uns verteidigen», sagte er. Im Tessin, wo sich ein Grossteil der in der Schweiz lebenden Assyrer niedergelassen hat, gehen die Meinungen über ihn auseinander. Für Demircan Sabry, Ex-Präsident der assyrischen Gemeinde von Lugano, ist Johan ein «Söldner im Dienst von Extremisten». Besim Atabalgim vom mesopotamischen Kulturzentrum Locarno widerspricht: «Das sind anständige Jungs, die nichts mit Extremisten zu tun haben.»
Dass Spendengelder der assyrischen Gemeinde in der Schweiz für Waffenkäufe eingesetzt werden, stört Atabalgim nicht: «In einem Bürgerkrieg braucht man Waffen. Wie soll man sich sonst verteidigen?» Reine Selbstverteidigung, ohne für das Regime oder die Rebellen Partei zu ergreifen, erweist sich in der Praxis als schwierig. Die Assyrer haben sich dem Aufstand gegen das Assad-Regime nicht angeschlossen. Zu gross ist die Angst vor radikal-islamischen Gruppen. Erst Ende Juni enthaupteten Al-Kaida nahestehende Extremisten den katholischen Priester François Murad.
Dienst in fremden Armeen ist strafbar
Gleichzeitig ist die assyrische Minderheit dem Druck des Assad-Regimes ausgesetzt. Laut Johan eröffneten Regierungstruppen einmal das Feuer auf ein Fahrzeug der christlichen Sutoro-Miliz. Anschliessend hätten sie darauf bestanden, dass über ihrem Hauptquartier in Qamishli die syrische Flagge gehisst wird. Wo die Neutralität aufhört und die Kollaboration anfängt, darüber sind sich die Assyrer selbst nicht einig. Fakt ist, dass dem Diktator daran gelegen ist, dass die Kurden und die Christen nicht ins Lager der Rebellen wechseln. Dafür geniessen sie derzeit eine nie gekannte Autonomie. Allerdings wissen sie auch, dass es damit sehr schnell wieder zu Ende sein könnte, sollte Assad irgendwann wieder die Oberhand gewinnen.
Laut Tio/20 minuti befinden sich rund zehn Schweizer mit assyrischen Wurzeln in Syrien. Das VBS kann dies allerdings nicht bestätigen. «Die Zuständigkeit liegt bei der Militärjustiz», betont Sprecherin Karin Suini auf Anfrage. Diese würde unter Umständen aktiv: Laut Artikel 94 des Militärstrafgesetzes wird ein «Schweizer, der ohne Erlaubnis des Bundesrates in fremden Militärdienst eintritt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft». Auf seiner Website fügt das VBS an: «Seit der Zeit des Ersten Weltkriegs hat der Bundesrat keine Erlaubnis mehr erteilt.»
Skype-Interview mit Liberatv Ticino (auf Italienisch):
(Video: Youtube/LIBERATV TICINO)