Folgen des KonfliktsJeder 10. Syrer im Krieg getötet oder verletzt
470'000 Tote und 1,9 Millionen Verletzte: Eine Studie zeigt erschreckende Zahlen. Und der syrischen Bevölkerung droht weiteres Ungemach – in Aleppo geht das Wasser aus.
Im syrischen Bürgerkrieg sollen deutlich mehr Menschen ums Leben gekommen sein als bislang angenommen. Nach einer Studie der Nichtregierungsorganisation Syrian Centre for Policy Research (SCPR), die dem britischen «Guardian» vorliegt, wurden im seit über vier Jahren andauernden Bürgerkrieg bereits 470'000 Menschen getötet. Das sind fast doppelt so viele, wie die UNO bisher schätzte.
Viele der Opfer erlagen den direkten Kriegsfolgen, heisst es in der Studie. Rund 70'000 Menschen starben an ihren Verletzungen, weil sie nicht genügend Zugang zu medizinischer Versorgung hatten oder verhungerten. Des Weiteren sind bislang 1,9 Millionen Menschen verwundet worden. Der Unterschied zu den UNO-Zahlen lässt sich laut dem «Guardian» damit erklären, dass die Vereinten Nationen nicht auf genügend Informationen im Land zurückgreifen können.
Lebenserwartung gesunken
Zusammengerechnet zeigen die Zahlen ein erschreckendes Bild: 11,5 Prozent der Bevölkerung sind im Bürgerkrieg bislang umgekommen oder verletzt worden. Die Lebenserwartung der Syrer sei im vergangenen Jahr auf 55,4 Jahre gesunken. Zum Vergleich: 2010 lag sie noch bei rund 70 Jahren. Weiter seien der Reichtum und die Infrastruktur des Landes «beinahe ausgelöscht» worden. Die wirtschaftlichen Schäden belaufen sich laut SCPR auf schätzungsweise 255 Milliarden Dollar.
Die Studie mit dem Titel «Confronting Fragmentation» soll am Donnerstagnachmittag offiziell in der libanesischen Hauptstadt Beirut vorgestellt werden. Das SCPR habe für seinen Bericht in Syrien recherchiert, schreibt der «Guardian». Auch die UNO habe bereits aus früheren Berichten der Organisation zitiert.
Wasser in Aleppo wird knapp
Derweil geht die Massenflucht aus Aleppo weiter. Die Offensive der syrischen Armee hat nach Schätzungen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) rund 50'000 Menschen in die Flucht getrieben. «Die Vertriebenen versuchen, unter sehr gefährlichen Bedingungen zu überleben», erklärte die Syrien-Beauftragte des IKRK, Marianne Gasser. Die Kämpfe in Aleppo seien für die Zivilisten eine grosse Belastung, sagte Gasser weiter. Die Temperaturen seien «extrem niedrig» und es gebe nicht genug Wasser, Nahrung und Schutz.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen warnte, das Gesundheitssystem in der Region Asas nördlich von Aleppo stehe «vor dem Zusammenbruch». Das Gebiet um die umkämpfte Grenzstadt sei schon vor den neuen Kämpfen «eine der am schlimmsten von diesem brutalen Krieg betroffenen Regionen» gewesen, sagte Syrien-Koordinatorin Muskilda Zancada. Seit Samstag sei die Zahl der Patienten in einer Klinik von Ärzte ohne Grenzen bei Asas um rund 50 Prozent gestiegen. (dia/afp)