Krieg gegen ISUSA beknien die Türkei
Washington hofft, dass das Nato-Mitglied Türkei mit seiner massiven Armee und Luftwaffe zum Kampf gegen die Terrormiliz IS beiträgt. Dem Land drohe die Gefahr einer «Pakistanisierung».
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat für den Gefangenentausch mit dem Islamischen Staat (IS) bisher keine öffentliche Kritik aus Washington erfahren. Die USA nehmen es offensichtlich in Kauf, dass die Türkei als Gegenleistung für die Befreiung von 48 Diplomaten aus IS-Geiselhaft im September rund 180 inhaftierte Islamisten austauschte.
Washington scheint zu hoffen, dass der Nato-Mitgliedstaat Türkei mit seiner massiven Armee und Luftwaffe seinen Teil zum Kampf gegen die blutrünstige Terrormiliz beiträgt. Um Erdogan zum Mitmachen zu bewegen, wird laut «Hürryet» diese Woche eine US-Delegation Ankara besuchen. Geleitet wird sie von Ex-General John Allen, der die Kampagne gegen den IS militärisch koordiniert, und dem zuständigen Unterstaatssekretär im Aussenministerium, Brett McGurk.
Derweil hat die türkische Regierung den Kurden in Kobani Unterstützung zugesagt. Einen schnellen Einsatz von Bodentruppen stellte Ankara nicht in Aussicht.
Biden entschuldigte sich
Mit dem Ziel, Erdogan zu besänftigen, hat sich US-Vizepräsident Joe Biden am Samstag ausdrücklich bei ihm entschuldigt. Der für sein lockeres Mundwerk bekannte Politiker hatte in einer Rede an der Harvard-Universität angedeutet, der «alte Freund» Erdogan habe sich bei ihm dafür entschuldigt, dass die Türkei islamistische Kämpfer über das eigene Territorium nach Syrien habe einreisen lassen. Erdogan bestand darauf: «Ich habe ihm nie gesagt, wir hätten einen Fehler begangen, nie. Falls er das in Harvard gesagt hat, dann muss er sich bei uns entschuldigen.»
Mit Bidens Entschuldigung ist ein möglicher Stolperstein bezüglich der türkischen Kooperation entfernt. Den anderen hatte das Parlament in Ankara beseitigt, als es dem Präsidenten grundsätzlich erlaubte, von der Türkei aus militärische Operationen in Syrien und im Irak zu befehlen.
Die Probleme der Türkei mit dem Militäreinsatz
Dennoch ist keinesfalls sicher, dass Erdogan einlenkt. Wie US-Medien berichten, fordert Erdogan als Vorbedingung, dass über Syrien eine international getragene Flugverbotszone verhängt wird. Das Ziel sei, zu verhindern, dass die syrische Luftwaffe türkische Truppen angreife, schreibt die «New York Times». Offenbar erwägen die Vereinigten Staaten diese Idee.
Erdogans Problem mit einem Militäreinsatz geht aber tiefer. Er fürchtet, dass jeder erfolgreiche Kampf gegen den IS dessen Widersacher stärkt: die Regierung des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und die separatistischen Kurden in der südöstlichen Türkei. «Die Türkei fordert einen umfassende Strategie im Irak und in Syrien, nicht nur eine gegen den Islamischen Staat», sagt Soner Cagaptay vom Türkei-Forschungsprogramm des Washington Institute zur «Times». «Und hier hat die Türkei recht.»
Gefahr der «Pakistanisierung»
Die Türkei muss auch aufpassen, dass es dem Land nicht ergeht wie Pakistan. In einem Gastbeitrag in der «Times» zeigen zwei Experten verblüffende Parallelen auf zwischen dem Verhältnis Ankaras zur Terrormiliz IS und der Beziehung Islamabads zu den Taliban.
Die pakistanische Regierung habe die Taliban einsetzen wollen, um eigene Ziele in Afghanistan zu erreichen, schreiben Michael Tanchum und Halali Karaveli. In einer zweiten Phase hätten sich die Taliban Pakistan zugewandt und trügen jetzt zur Destabilisierung bei.
In ähnlicher Weise könnte der IS der türkischen Regierung gefährlich werden, warnen die Autoren. Ankara müsse aufpassen, dass kein «sunnitischer Extremismus tief ins Gewebe der Gesellschaft eindringt».