«Sie haben nicht einmal mehr Kraft zum Weinen»

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Hunger in Syrien«Sie haben nicht einmal mehr Kraft zum Weinen»

Babys bekommen Wasser und Salz, Kinder essen einmal pro Woche: Überleben in der belagerten syrischen Stadt Madaya.

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Keine Medizin, kein Essen, keine Heizung – in der vom syrischen Regime belagerten Stadt Madaya leben die Menschen unter katastrophalen Bedingungen. Internet-Videos zeigen abgemagerte Kinder, ihre Haut spannt über den Rippen, an den Armen sind keine Muskeln mehr, sie haben nicht einmal mehr Kraft zum Weinen.

Die 40'000-Einwohner-Stadt, rund 30 Kilometer nordwestlich von Damaskus, wird seit mehr als 170 Tagen von Truppen des syrischen Regimes und der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah belagert. Die Not ist so gross, dass manche Gras essen oder sogar Katzen und Hunde schlachten, um nicht zu verhungern.

In diesem kurzen Video fragt ein Arzt einen Jungen:

«Wie lange hast du nichts mehr gegessen?»

«Sieben Tage.»

«Schwöre, dass das so ist.»

«Ich schwöre.»

Die sieben Monate alte Hana ist unterernährt. Ein Arzt unterhält sich mit der Mutter:

«Wie lange bekommt sie schon keine Milch mehr?»

«Seit einem Monat. Ich gebe ihr nur ein bisschen alle zehn Tage.»

«Und was bekommt sie sonst?»

«Wasser und Salz.»

Horrorpreise für Lebensmittel

Wegen der Belagerung sind die Kosten für Lebensmittel in schwindelerregende Höhe gestiegen, mittlerweile müssten für ein Kilo zerstossenen Weizen umgerechnet mehr als 220 Franken bezahlt werden, für 900 Gramm Milchpulver seien es knapp 325 Franken.

Die Menschen sind verzweifelt, gehen auf die Strasse, um zu protestieren. Viele tragen Banner mit der Legende: «Es macht uns nichts, wenn Assad unsere Erwachsenen tötet, aber bitte, lasst unsere Kinder nicht verhungern.» Es sei eine Tragödie, was die Truppen des syrischen Regimes mit ihnen machen würden – «und das in Anwesenheit der Vereinten Nationen», sagt ein Demonstrant zu «N24».

25 Wachposten hindern Bewohner an der Flucht

Die Menschen leiden zusätzlich unter der Kälte. Anfang Woche gab es einen schweren Schneesturm, Strom oder Diesel für Generatoren fehlen. Darum haben viele damit begonnen, die Zimmertüren aus ihren Häuser herauszureissen, um Brennmaterial zu haben, sagt ein lokaler Beamter, der sich Samir Ali nennt.

In den vergangenen Wochen sind mindestens 31 Menschen in Madaya verhungert, berichtet der TV-Sender al-Jazeera. Bislang wurden laut dem Syrischen Beobachtungszentrum für Menschenrechte jedoch alle Versuche der Vereinten Nationen, Lebensmittel zu liefern, entweder von den Aufständischen oder von den Regierungskämpfern vereitelt. Mindestens 25 Wachposten würden zudem dafür sorgen, dass niemand den Ort verlassen könne.

Nun kommt Hoffnung für die Menschen von Madaya auf: Laut «Spiegel» sicherte das Regime unter Bashar al-Assad gemäss Angaben der UNO zu, Hilfstransporten in den nächsten Tagen den Zugang zu den Städten Madaya, Fua und Kefraya zu erlauben.

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