Wasserwerfer gegen Hochzeit im Gezi-Park

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Türkei in AufruhrWasserwerfer gegen Hochzeit im Gezi-Park

Im Istanbuler Gezi-Park hat ein Paar geheiratet, das sich bei den Protesten gegen den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan kennengelernt hat. Die Polizei griff hart durch.

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Nuray Cokol (l.) und Ozgur Kaya haben am Samstag im Gezi-Park geheiratet.

Nuray Cokol (l.) und Ozgur Kaya haben am Samstag im Gezi-Park geheiratet.

Türkische Sicherheitskräfte haben mit Wasserwerfern eine Hochzeitsfeier von Regierungsgegnern im Istanbuler Gezi-Park verhindert. Hunderte Menschen waren am Samstag in den kleinen Park gekommen, wo ein Pärchen sich das Ja-Wort geben wollte, das sich Berichten zufolge bei den Protesten gegen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan im Juni kennengelernt hat.

Die Polizei sperrte den Park ab, um die Hochzeitsfeier dort zu verhindern und trieb die Menschen in eine nahe gelegene Fussgängerstrasse, wie die private Nachrichtenagentur Dogan meldete. Laut Berichten auf den Internetseiten der Zeitungen «Radikal» und «Hürriyet» setzte die Polizei auch Tränengas ein und nahm einige Menschen fest.

Schutzhelm über Schleier

Später liessen die Sicherheitskräfte das frisch vermählte Paar für Fotos einen Augenblick lang in den Gezi-Park. Als die Menge jedoch begann, regierungskritische Parolen zu rufen, wurde sie wieder aus dem Park vertrieben. Die Braut trug einen Schutzhelm über ihrem weissen Schleier.

Auslöser der Proteste Anfang Juni war das brutale Vorgehen der Polizei gegen eine friedliche Demonstration von Umweltschützern gegen die Abholzung des Gezi-Parks. Die Massendemonstrationen richteten sich zuletzt gegen den von vielen als autoritär angesehenen Regierungsstil von Ministerpräsident Erdogan. Vier Demonstranten und ein Polizist wurden im Laufe der Protestwelle getötet.

Sympathiepunkte verloren

Das harte Vorgehen gegen Demonstranten hat die türkische Regierung nach Umfragen Sympathiepunkte bei den Wählern gekostet. Die regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) käme im Falle einer Parlamentswahl nur noch auf 44,1 Prozent, zitierte die Zeitung «Hürriyet Daily News» am Samstag aus einer Umfrage des Meinungsinstituts Sonar. Im Februar 2012 seien es noch 53,2 Prozent gewesen.

Institutschef Hakan Bayrakci führte die gesunkenen Werte auf die seit Ende Mai andauernden landesweiten Protesten zurück, gegen die die Regierung mit harter Hand vorgeht. Die wichtigste Oppositionspartei, die Republikanische Volkspartei (CHP), kommt in der Umfrage auf 28,2 Prozent - nach 19,8 Prozent im Februar 2012. Bei der Wahl im Juni 2011 hatte die islamisch-konservative AKP 49,8 Prozent auf sich vereinen können. (pbl/sda)

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