Alltag im StraflagerIn dieser Hölle schmoren Pussy Riot
Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina sind von Moskau ins Uralvorland und in die Republik Mordwinien geschafft worden – ausgerechnet! Hier sollen die Straflager am grausamsten sein.
Für die beiden jungen Mütter der russischen Punkband Pussy Riot wird es ein harter Winter werden. Am Wochenende sind sie in zwei Straflager geschafft worden – hunderte Kilometer von ihren Liebsten entfernt: Nadeschda Tolokonnikowa in ein Straflager in der Republik Mordwinien im Föderationskreis Wolga, Maria Aljochina in ein Lager bei der entlegenen Stadt Perm im Uralvorland. «Von allen Möglichkeiten sind diese beiden Straflager die grausamsten», twitterten Anhänger der russischen Punkband.
Tatsächlich sind beide Straflager in Russland gefürchtet. Sie sind Teil des berüchtigten Gulag-Systems, das unter Stalin seine grausamsten Auswüchse hatte. Gulag steht dabei für «Glawnoje uprawlenie lagerej», «Hauptverwaltung der Straflager». Abermillionen Russen, zu Zwangsarbeit verdonnert, starben in diesen Lagern oder siechten unter grausamsten Bedingungen Jahre, ja Jahrzehnte, vor sich hin.
Im Niemandsland
Bis heute ist der Lageralltag unmenschlich hart. In den nach Geschlechtern getrennten Gefängnissen werden bis zu vierzig Häftlinge in einer Zelle zusammengepfercht. Nur die Stärksten setzen sich durch. Hunger, Gewalt, Vergewaltigung gehören zum Alltag, besonders für die jüngeren Frauen, die von den Älteren terrorisiert werden. Für die beiden Pussy-Riot-Frauen dürfte es wegen ihres Bekanntheitsgrades noch härter werden: «Ihr Fall hat eine politische Konnotation», so Inna Baschibina, eine ehemalige Lagerinsassin gegenüber «The Atlantic».
«Jeder kennt die Regeln: Traue niemanden, habe niemals Angst und vergibt keinem Menschen», sagt eine weitere ehemalige Straflager-Insassin gegenüber der Nachrichtenagentur AP. «Du bist im Niemandsland. Keiner hilft dir. Du musst über alles nachdenken, was du sagst und tust, um nicht zu vergessen, dass du ein Mensch bist.»
Wer sein Bett nicht gemacht oder die Wache nicht gegrüsst hat, wird bestraft. Mit bis zu zwei Wochen Einzelhaft. Acht Stunden pro Tag verrichten die Insassen Arbeiten wie Nähen oder Handwerken. Zuvor gibt es Frühsport im Gefängnishof – bei jeder Witterung, auch bei im russischen Winter nicht ungewöhnlichen Minus dreissig Grad. Angehörige dürfen die Gefangenen nur viermal im Jahr besuchen. Privatsphäre gibt es zu keiner Zeit und nirgends. Dafür gibt es die Anstaltskleidung, die «Kurtka Xb». Bei Frost werden dünne Wattemäntel ausgehändigt.
«Dann wird es richtig hart für sie»
Besonders die Straflager in der Teilrepublik Mordwinien sind landesweit berüchtigt. «Dort ist es sehr hart. Wegen des Klimas, der Sümpfe, der Moskitos», so Ex-Lagerinsassin Baschibina. «Es gibt dort immer Probleme mit dem Wasser. Man muss gänzlich ohne Heisswasser auskommen. Wieso denken Sie haben alle Insassinnen dort kurze Haare? Weil es nur Probleme gibt, die Haare zu waschen. Um sich zu waschen, muss man das Wasser in einem Topf erhitzen.»
Dazu kommen die nicht selten sadistisch veranlagten Lageraufseherinnen. Oft statuieren sie an den Neuankömmlingen ein Exempel – eine Demonstration ihrer Macht. Insassen wie Tolokonnikowa und Aljochina könnten umso härter angepackt werden, um ihren «Promistatus» im Lager zu brechen. Mascha Noel, die wegen Betrugs drei Jahre in einem Lager in Tscheljabinsk gesessen hatte, befürchtet: «Wenn die Aufseher die Weisung erhalten, die Neuen abzuhärten, wird es richtig hart für sie.