Bezahlt fürs Schweigen?Zensur-Skandal um Bahrain-Doku von CNN
Böser Verdacht gegen CNN: Der US-Nachrichtensender strahlt eine kritische Dokumentation über die Repression im Golfstaat Bahrain nicht aus – aus Rücksicht aufs Regime?
Im März 2011 war der Arabische Frühling in vollem Gange. Nach Tunesien, Ägypten und Libyen gingen die Menschen auch in Bahrain auf die Strasse. Sie forderten eine neue Regierung und eine neue Verfassung. Das Königreich reagierte mit Gewalt, schoss auf Zivilisten. Menschen kamen ums Leben, Oppositionelle wurden verhaftet. Nachdem Saudi-Arabien dem Nachbarland mit Panzern zu Hilfe geeilt war, war der Widerstand gebrochen.
Im selben Monat begann der US-Sender CNN mit der Produktion einer Dokumentation über die Bedeutung von Internettechnologien und Sozialen Medien für Demokratieaktivisten im Mittleren Osten. Korrespondentin Amber Lyon verbrachte unter anderem acht Tage im von den USA unterstützen Bahrain und dokumentierte die Brutalität, mit der das Regime in Manama gegen die Demonstranten vorging. Der Beitrag wurde aber nie auf CNN International (CNNi) ausgestrahlt. Trotz mehrfachen Nachfragens von Mitarbeitern weigerte sich der Sender, die aufwendig produzierte Dokumentation international zu zeigen.
Doku gewann mehrere Medienpreise
Der «Guardian» hat die Weigerung jetzt mit Geldern in Verbindung gebracht, die von der bahrainischen Regierung an den TV-Sender geflossen sein sollen. Die Zahlungen würden die journalistische Unabhängigkeit des Nachrichtensenders untergraben, schreibt das britische Blatt.
13 Minuten des Films, der in den USA am 19. Juni 2011 gezeigt wurde, handeln von Bahrain. Man sieht darin, wie scharf auf Demonstranten geschossen wird. Kinder berichten, wie ihre Väter vor ihren Augen verhaftet wurden. Aktivisten erzählen, wie das Regime mit Folter auf die Proteste reagierte. Der Beitrag erhielt mehrere Medienpreise. Dennoch ging die Doku bei CNNi, dem meistgesehenen englischsprachigen News-Sender im Mittleren Osten, nie über den Bildschirm.
Filmautorin erhielt nie Antwort
Für Politjournalist Glenn Greenwald vom «Guardian» ist das Vorgehen von CNNi in mehrerer Hinsicht erstaunlich: Die Produktionskosten für «iRevolution» seien mit 100 000 Franken sehr hoch gewesen. Seit Jahren haben CNN und CNNi strenge Budgetvorgaben. Ein langjähriger Angestellter, der anonym bleiben wollte, beschrieb «iRevolution» als «teure, hochwertig produzierte internationale Geschichte über den Arabischen Frühling.» CNN hatte den Beitrag bereits bezahlt, CNNi hätte gratis darauf zurückgreifen können. Das macht es für den Angestellten «sehr ungewöhnlich, dass es nicht ausgestrahlt wurde».
Produzenten und Reporter des Senders hätten sich beklagt, dass CNNi, «iRevolution» nicht ausstrahlte. Die Autorin des Films, Amber Lyon, traf sich mehrfach mit dem Präsidenten von CNNi, um herauszufinden, weshalb der Beitrag zurückgehalten wurde. Doch sie erhielt nie eine Antwort – stattdessen laut «Guardian» eine Aufforderung, nicht mehr öffentlich über das Thema zu sprechen.
Ist die Autorin bei der Arbeit behindert worden?
CNN selbst sagt dazu, der Dokumentarfilm sei für CNN USA produziert worden. Er sei zwar nicht als Ganzes auf CNNi ausgestrahlt worden, Ausschnitte davon aber sehr wohl. «Solche Entscheidungen werden nur aus redaktionellen Gründen getroffen», heisst es in einer Stellungnahme. Man habe seit Februar 2011 mehrfach kritisch über die Situation in Bahrain berichtet.
Korrespondentin Amber Lyon indessen behauptet, sie sei bereits bei ihrer Recherchearbeit behindert worden. CNN habe von ihr verlangt, Aussagen in ihren Beitrag einzufügen, die nicht korrekt seien. Zum Beispiel musste sie Bahrains Aussenminister zitieren, der sagte, dass nicht auf unbewaffnete Zivilisten geschossen werde. «Ich konnte nicht glauben, dass CNN mich dazu brachte, etwas in meinen Bericht einzuführen, von dem ich wusste, dass es Lügen der Regierung waren.»
«Strategie der extensiven Finanzabkommen»
Politjournalist Greenwald geht im «Guardian» von einer massiven PR-Kampagne aus, mit der Bahrain versucht habe, sein Image aufzumöbeln. Seit Frühling 2011 seien 32 Millionen Franken dafür eingesetzt worden. Viel Geld sei an die PR-Firma Qorvis Communications in Washington geflossen, die bei Klagen gegen die Berichterstattung über Bahrain oft führend gewesen ist. Seit der Finanzkrise 2008 sei die Abhängigkeit CNNs von Staatsgeldern aus arabischen Regimes deutlich gestiegen.
CNN verfolge eine «Strategie der extensiven, vielseitigen Finanzabkommen» mit verschiedenen repressiven arabischen Regimes, schreibt der «Guardian». Besonders deutlich werde dies in Bahrain. CNN verfolge journalistisch fragwürdige Wege, um Staatsgelder zu erhalten, heisst es in dem Artikel. «Die Regierung von Bahrain beutet die Möglichkeiten, die CNNi bietet am aggressivsten aus.»
CNN sagt dazu, dass seit den 1990er Jahren Werbung und gesponserte Inhalte gesendet würden. Die redaktionellen und die kommerziellen Bereiche seien aber strikt getrennt. Solche Abkommen hätten keinerlei Einfluss auf die redaktionelle Arbeit. Ausserdem habe CNN nur einen sehr kleinen Betrag von Werbung von Bahrain erhalten.
Kein Geheimhaltungsabkommen
Amber Lyon arbeitet inzwischen nicht mehr für CNN. Im März 2012 wurde sie in Folge von Umstrukturierungen entlassen. Auf Twitter äusserte sie sich selbst zu dem Fall – worauf sie prompt Post von CNN erhielt, mit der erneuten Aufforderung, sich zurückzuhalten, sonst würden die Zahlungen an sie gestoppt. Lyon betont, sie habe kein Geheimhaltungsabkommen mit CNN unterschrieben. «Ich wurde Journalistin, um aufzudecken, nicht um zu verhüllen. Und ich bin nicht bereit, länger zu schweigen, auch wenn es bedeutet, dass ich diese Zahlungen verliere.»