Ex-Bundesrat«Diktatoren haben nicht viel Humor»
Für Moritz Leuenberger ist das Schmähgedicht von Jan Böhmermann zwar keine Satire, trotzdem findet der Alt-Bundesrat, dass die Politik des türkischen Staatspräsidenten an den Pranger gestellt werden müsse.

«Freiheit ist kein Freifahrtschein, andere Leute fertigzumachen»: Der ehemalige Schweizer Bundespräsident während einer Konferenz von Bündnis 90/Die Grünen in Kiel. (Archivbild)
Keystone/Marcus BrandtIn einem Interview mit «Focus online» äusserte sich Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger zum Schmähgedicht des deutschen Satirikers Jan Böhmermann über den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Die Frage, ob dieses denn noch Satire sei, verneinte Leuenberger entschieden. Dazu fehle dem Gedicht die Qualität, so der ehemalige SP-Politiker, der für seinen Wortwitz in seinen Reden bekannt ist und dafür auch schon mehrere Auszeichnungen erhalten hat. Leuenberger verstehe den Inhalt dieses Gedichtes weder als Humor noch als Ironie noch als politisch, schreibt das Nachrichtenmagazin. «Ich finde, wenn man auf diese Art und Weise auf einen politischen Gegner losgeht, dann verharmlost man seine politischen Taten», so Leuenberger.
Typisches Verhalten für einen Diktator
Doch auch das Eingreifen des türkischen Präsidenten ist Leuenberger ein Dorn im Auge: «Natürlich ist es eine Beleidigung. Was ich aber auch sagen muss: Dass sich ein Staatsmann wegen einer solchen Beleidigung so auf die Hinterbeine stellt, ist mir nicht verständlich. Da hätte ich ja als Bundesrat damals pausenlos vor die Gerichte rennen müssen», antwortete der gelernte Rechtsanwalt. Ihm scheine Erdogans Verhalten typisch für den Charakter eines Diktators zu sein. «Er identifiziert seine Person dermassen mit seiner politischen Rolle, dass er sich als sakrosankt wähnt. Kein Mitglied der deutschen Bundesregierung hätte so reagiert», meinte Leuenberger.
Böhmermanns Gedicht wäre in der Schweiz strafbar
Die Türkei verlangt eine Bestrafung des deutschen Satirikers, doch Leuenberger sieht dadurch weder einen Angriff auf die Pressefreiheit noch einen Anschlag auf das deutsche Grundgesetz: «Das deutsche Grundgesetz wird da doch wohl zum Tragen kommen.» In der Schweiz gebe es auch den Straftatbestand. Die Beleidigung eines fremden Oberhauptes sei auch in der Schweiz strafbar. «Ich könnte mir vorstellen, dass auch bei uns ein Staatsanwalt ein Verfahren eröffnet hätte», schätzt Leuenberger den juristischen Sachverhalt ein.
Auf die Frage, ob sich die Regierung nicht schützend hinter die eigenen Künstler stellen sollte, antworte der ehemalige Medienminister: «Wir leben in der Gewaltenteilung. Die Regierung muss den Gerichten die Entscheidung überlassen.»
Grenzen für die Pressefreiheit
Zur Pressefreiheit gehöre auch Eigenverantwortung, sie sei nicht grenzenlos, so Leuenberger: «Die Freiheit ist kein Freifahrtschein, andere Leute fertigzumachen.» Die Presse, die Kultur, der Humor und die Satire seien alle grundsätzlich geschützt, aber sie hörten da auf, wo sie die Rechte anderer Menschen verletzten. Das könne auch ein fremdes Staatsoberhaupt sein, sagt Leuenberger.
Wäre Leuenberger selbst als Politiker angegriffen worden, wäre er nicht darauf eingegangen: «Ich hätte gesagt: Das qualifiziert sich selbst. Diktatoren haben jedoch nicht viel Humor.»