Europa sucht VerdächtigenFlüchtet Abdeslam vor dem IS?
Eine Brille, eine Perücke und ein Deckname: Die Polizei jagt Salah Abdeslam. Aus Angst vor Extremisten wolle er sich aber keinesfalls stellen, sagt ein Freund.
Nach dem Tod von Abdelhamid Abaaoud, dem Drahtzieher der Anschläge von Paris, ist er nun der meistgesuchte Mann Europas: Salah Abdeslam. Der 26-jährige Belgier mietete in Paris Wohnungen und Autos für die Attentäter. Nach Angaben von französischen Medien soll er den schwarzen Seat Leon gefahren haben, der bei den Anschlägen eingesetzt wurde.
Laut dem Portal «Het Laatse Nieuws» soll sich Abdeslam derzeit in der Gemeinde Anderlecht bei Brüssel aufhalten. Wie die britische Zeitung «Daily Mail» schreibt, habe der Verdächtige mittlerweile sein Aussehen verändert. So trage er eine Brille und eine Perücke. Auch verfüge er über einen Decknamen: Yassine Baghli. Die Zeitung bezieht sich in ihrem Bericht auf eine Polizeiquelle.
Angst vor dem IS
Eine belgische Website will mit einem Freund Abdeslams gesprochen haben. Er habe ihn am Dienstag im berüchtigten Brüsseler Quartier Molenbeek getroffen. Nach seinen Angaben sei Abdeslam in erster Linie auf der Flucht vor anderen Jihadisten. Die Attacken von Paris seien ihm viel zu weit gegangen. Er selbst habe nicht geschossen, er habe nur Kontakte vermittelt.
«Er sagte, er dürfe sich nicht der Polizei stellen. Das hätte Konsequenzen für seine Familie», sagt der Mann. Abdeslam fürchte sich vor der Rache des IS an seinen Angehörigen. Anders als zum Beispiel sein Bruder habe er sich nicht in die Luft gesprengt, sondern sei vom Tatort geflohen.
«Jede Nacht eine andere Frau»
Salah Abdeslam gilt als Kleinkrimineller und Partymacher. «Er stand nie vor 15.00 Uhr auf. Er war oft lange im Ausgang», sagt ein Freund mit dem Namen Brahim der Zeitung «Ouest-France». Er sei immer ein wenig «stoned» gewesen. Der Freund bezeichnet ihn als Frauenhelden, der oft One-Night-Stands hatte. «Er hatte jede Nacht eine andere. Belgierinnen, Französinnen, Marokkanerinnen, Tunesierinnen – einmal auch eine Britin.»
Laut dem «Mirror» ist Abdeslam 2011 radikalisiert worden. Er verlor seinen Job als Buschauffeur und arbeitete später in einem Shop – zusammen mit Drahtzieher Abdelhamid Abaaoud. Fünf Jahre später verübte die Bande einen der schlimmsten Anschläge in Europa.
In Panik geraten?
Salah Abdeslam war nach Angaben des «Independent» am Freitagabend zusammen mit seinem Bruder Ibrahim und einem noch nicht identifizierten dritten Mann in Paris unterwegs. Sein Bruder sprengte sich um etwa 21.40 Uhr bei der Bar Comptoir Voltaire in die Luft. Ein Passant wurde dabei schwer verletzt. Abdeslam, der am Steuer des Seats sitzt, fuhr zusammen mit dem dritten Mann in den Pariser Vorort Montreuil.
Um 22.30 Uhr ruft er zwei Freunde in Brüssel an, sie sollen ihn abholen. «Nichts weist auf eine im Voraus geplante Flucht hin», sagt eine Polizeiquelle dem «Independent». «Möglicherweise geriet er in Panik und wollte sich nicht mehr in die Luft sprengen.» Eine andere Erklärung sei, dass der Sprengstoffgürtel versagte.
ID an Grenze gezeigt
Um 5.00 Uhr wird Abdeslam von seinen belgischen Freunden Hamza Attou und Mohammed Amri abgeholt. Die drei Männer erreichen die belgische Grenze. Abdeslam zeigt seine Identitätskarte – und darf passieren.
Seine Verbindung zu den Anschlägen wird erst im Verlauf des Samstags bekannt. Die beiden Freunde werden später bei einer Razzia in Molenbeek verhaftet. Sie sagen aus, dass sie nichts mit den Anschlägen zu tun hätten, sie hätten lediglich ihren Freund abgeholt.