Trump-Biograf Johnston«Die Macht wird seinen Grössenwahn steigern»
Biograf David Cay Johnston ist einer der aggressivsten Kritiker von Donald Trump. Im Interview lässt er kein gutes Haar am künftigen US-Präsidenten.
David Cay Johnston, seit Freitagmittag ist Donald Trump US-Präsident. Sie kennen ihn besser als die meisten. War Trump nervös?
Donald ist nicht nervös. Ihn stört, dass er bei der Amtseinsetzung kein so grosses Publikum gehabt hat wie Barack Obama.
Wie gut arbeitet Trump unter Druck?
Sobald er Präsident wird und Verantwortung für Geheimes hat, wird sein Verhalten noch erratischer werden. Er hat gesagt, dass er Kriege möchte.
Hat Trump genug Ausdauer für dieses anstrengende Amt?
Nach eigenen Angaben trainiert Trump nicht. Er ist übergewichtig und isst ungesund. Zuweilen zieht er sich zurück. Das Amt wird ihn unglaublich aufreiben – es sei denn, er kümmert sich wie Ronald Reagan nur um eine Handvoll Dinge und macht seinen Job nicht.
Ein mir bekannter Psychoanalytiker nennt Trump einen Soziopathen. Sehen Sie ihn auch so?
Trump ist ein Narzisst der Extraklasse. Er hat kein Mitgefühl für andere Menschen. Er ist ein Mensch, der das Leben seines eigenen Grossneffen aufs Spiel gesetzt hat, nur wegen eines Streits mit dessen Vater um Geld. Er entschuldigt sich nicht dafür. Er hat keine Achtung für irgendjemanden ausser sich selbst, nicht einmal für seine Familie.
Ist Trump kein guter Familienvater?
Seine älteren Kinder wollten jahrelang nichts mit ihm zu tun haben, weil er ihre Mutter öffentlich erniedrigt hatte. Sie traten nach dem College erst in seine Firma ein, weil es auf dem Arbeitsmarkt keine so gut bezahlten Jobs gab.
Gibt es etwas Positives über Trump zu sagen?
Donald Trump hat seinen Namen weltweit bekannt gemacht. Er hat das Geschäft seines Vaters in ein Business verwandelt, das vom Verkaufen seines Namens lebt. Das ist eine Leistung. Und er baute den Trump Tower. Es war eine visionäre Entscheidung, mitten in Manhattan so ein Gebäude zu errichten.
Gibt es einen Unterschied zwischen dem privaten Trump und dem öffentlichen Trump?
Der Trump, der uns verkauft wurde, ist völlig anders als der wirkliche Trump. Donald Trump hat sich mit seiner Wahl als grösster Hochstapler der amerikanischen Geschichte etabliert. Er gibt sich als Champion der Arbeiterklasse, dabei sagt er, die Löhne seien zu hoch. In seiner ganzen Karriere betrog er seine Lieferanten um ihr Entgelt. Das öffentliche Image Donald Trumps ist ein völliger Betrug.
Was wissen die Menschen noch nicht über ihn?
Donald wird alles tun, was ihm Macht, Geld und öffentliche Bewunderung einbringt. Er wird sich nicht ändern, im Gegenteil: Die Macht des Präsidentenamts wird seinen Grössenwahn steigern. Er glaubt ja, dass er genetisch überlegen sei.
Man sagt, ihm fehle die für das Amt nötige Würde. Wird sich das ändern, wenn er das Oval Office betritt?
Donald Trump wird nicht präsidial werden. Er wird der verrückte Politiker bleiben wie Silvio Berlusconi in Italien und Rodrigo Duterte auf den Philippinen. Donald ist kein Politiker, er ist nicht geschliffen. Er wird sich nicht ändern.
Ist er ein Einzelgänger oder ein sozialer Mensch, der gern unter Leuten ist?
Donald hat keine engen Freunde. Alle seine Beziehungen sind Transaktionen. Emotional hat er keine Beziehung zu irgendwem. Und er schafft seine eigene Wirklichkeit. Er kann etwas sagen, und neunzig Sekunden später abstreiten, es gesagt zu haben.
Kann er vergeben?
Ich habe nie erlebt, dass Donald Trump irgendjemandem irgendetwas vergibt. Vor zwei Wochen warf er einen Biografen aus einem Golfklub hinaus wegen dem, was dieser vor 24 Jahren wahrheitsgetreu über ihn geschrieben hatte. Donald ist wie ein Elefant. Er vergisst keine Kränkung.
Trump hat starke Persönlichkeiten in sein Kabinett geholt. Wird er auf sie hören, oder wird er ihnen vorschreiben, was sie tun sollen?
Donald wird alles tun lassen, so lange es nicht stört, was er tun will. Trump kandidierte gegen die Wall Street und Günstlingswirtschaft. Doch sein Kabinett besteht aus Leuten von Goldman Sachs und der Wall Street. Es ist praktisch das spiegelbildliche Gegenteil dessen, was er angekündigt hat. Sein Kabinett ist eine Formel für Chaos. Donald Trump hat wiederholt gesagt, dass er Krieg will, dass er Atomwaffen einsetzen will und dass er keine Absicht hat, die Nato-Länder gegen Wladimir Putin zu beschützen. Es wird extrem beunruhigend.
Trump hat gesagt, die 18 Monate Wahlkampf hätten ihn verändert. Sie glauben das nicht?
Donald Trump hat sich kein bisschen verändert im Vergleich zu dem Trump, den ich seit einem Vierteljahrhundert kenne. Immer wieder dreht sich alles um Donald. Es geht nicht ums Land.
Welche Informationsquellen benutzt er?
Donald liest die bizarre rechtsgerichtete Nachrichtenseite «Breitbart», die Unsinn verbreitet, und die Neonazi-Plattform «Stormfront». Dann liest er die zwei lokalen Boulevardblätter «New York Post» und «New York Daily News» sowie die «New York Times». Er liest sie nicht wirklich, sondern geht sie durch auf der Suche nach Artikeln über sich selbst.
Wie viel Fernsehen schaut er?
Das weiss ich nicht. Wir wissen, dass er spätnachts die politische Show von Don Lemon auf CNN schaut. Offenbar ist er in der Nacht oft auf den Beinen. Dann twittert er. Er scheint auch ein neurotisches Schlafproblem zu haben. Oft kehrt er spätnachts nach Hause in sein eigenes Bett zurück, weil er nicht in einem Hotelzimmer übernachten will.
Wird er weiter twittern?
Oh ja. Damit hört er nicht auf.
Vizepräsident Joe Biden sagte diese Woche, Trump werde ein Jahr im Amt bleiben, vielleicht zwei. Was meinen Sie?
Mich würde es sehr überraschen, wenn Donald Trump die vierjährige Amtszeit durchhält.
Wie wird das vorzeitige Ende aussehen?
Die Republikaner im Kongress werden sich gegen Trump wenden, sobald sie seinetwegen fürchten, nicht wiedergewählt zu werden. Und sie haben viel Munition gegen ihn. Meine Sorge ist: Wenn es in Donald Trumps Interesse wäre, Diktator zu werden, dann würde er das tun. Wenn Trump beginnt, Generäle und Admirale zu feuern, sollte sich die Welt grosse Sorgen machen.

David Cay Johnston war lange investigativer Reporter für die «New York Times» und gewann den Pulitzer-Preis sowie einen Polk-Preis. Sein Buch «The Making of Donald Trump» hat ihm viel Applaus, aber auch heftige Kritik eingebracht. Er rechnet darin mit Trump ab und nennt ihn einen Betrüger, Hochstapler und «eine Gefahr für die Welt». Das Buch ist unter dem Titel «Die Akte Trump» auch auf Deutsch erschienen (Ecowin-Verlag, 352 Seiten, 24 Euro).