Gesetz soll häusliche Gewalt erlauben

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RusslandGesetz soll häusliche Gewalt erlauben

Schläge gegen Ehepartner und Kinder sollen in Russland kein juristisches Nachspiel mehr haben, wenn es der erste solche Fall ist. Das Erstaunliche: Der Vorschlag stammt von einer Frau.

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Häusliche Gewalt soll in Russland künftig straffrei sein, wenn das Opfer keine bleibenden Schäden davonträgt. (Symbolbild: AP Photo/Marko Drobnjakovic)

Häusliche Gewalt soll in Russland künftig straffrei sein, wenn das Opfer keine bleibenden Schäden davonträgt. (Symbolbild: AP Photo/Marko Drobnjakovic)

Ein Gesetzesvorschlag in Russland ruft Frauenorganisationen auf den Plan. In der ersten Lesung am Mittwoch hat die Duma mit 368 von 450 Stimmen ein Gesetz gutgeheissen, wonach der erste Vorfall von häuslicher Gewalt nicht mehr bestraft werden soll.

Hinter dem sogenannten «Ohrfeigen-Gesetz» steht die konservative Parlamentarierin Jelena Borissowna Misulina (62). Sie hatte bereits die rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften abgelehnt und für ein Verbot von Adoptionen russischer Kinder durch US-Bürger gestimmt.

Ohrfeigen seien «traditionelle Werte»

Misulina will Ohrfeigen — sei es gegen Kinder oder Ehepartner — als Bagatelldelikt abtun. Das jetzige Gesetz gegen häusliche Gewalt verletze «traditionelle russische Werte», hatte die Parlamentarierin vor einigen Monaten im Interview mit der «Moscow Times» behauptet. «In unserer Familienkultur basieren Beziehungen auf Autorität. Das Gesetz sollte dies unterstützen.»

Das «Ohrfeigen-Gesetz» betreffe Gewalttaten, bei denen das Opfer weder ins Spital muss noch deswegen bei der Arbeit ausfällt, erklärt Olga Batalina, Mitautorin des Vorschlags, der britischen BBC. Wiederholten sich die Vorfälle, dann sollen diese wie bis anhin mit Geldbussen oder Freiheitsentzug bestraft werden.

Frauenorganisationen werden aktiv

Für Frauenrechtlerin Olga Jurkowa von der Organisation Sisters ist das unbegreiflich: «Viele Frauen tolerieren Gewalttaten ihrer Partner und melden diese nicht der Polizei. Eine Entkriminalisierung der Tat wird alles nur noch schlimmer machen.» Die Aktivistin Alena Popowa lancierte eine Petition, um das Gesetz gegen häusliche Gewalt komplett revidieren zu lassen. In wenigen Tagen sammelte sie 175'000 Unterschriften.

Obwohl in Russland offizielle Statistiken zu häuslicher Gewalt rar sind, schätzen Forscher in diversen Studien, dass rund 600'000 Russinnen zu Hause verbale und physische Gewalt erleben. Pro Jahr sterben 14'000 Frauen wegen Misshandlungen durch ihre Partner – das sind fast 40 Todesfälle pro Tag.

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