Keine Schoggi mehr für die IS-Terroristen

Aktualisiert

«Islamischer Staat»Keine Schoggi mehr für die IS-Terroristen

Die Angriffe und Sanktionen gegen den IS zeigen erste Wirkung. Von einer ernsthaften Schwächung kann aber noch keine Rede sein.

von
L.Hinnant
Z.Karam
S.George

Es sind harte Zeiten für die Extremisten, die einst eine eigene Währung schufen. Die Luftangriffe der internationalen Koalition zeigen Wirkung, ebenso die verhängten Sanktionen. Seit vergangenem Herbst sind der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) Millionen von Dollar verloren gegangen. Konnten sie davor die Loyalität ihrer Kämpfer mit guten Löhnen, Hochzeits- und Babyprämien stützen, so wurden mittlerweile sogar kleinere Anreize gestrichen – zum Beispiel die kostenlosen Energy-Drinks und Snickers-Schokoriegel.

Aber auch lebensnotwendige Güter werden in den städtischen Zentren der Terrormiliz zunehmend knapp und die Inflation steigt auf breiter Front. Ein Flüchtling aus Rakka, der IS-Hochburg in Syrien, der nun in der libanesischen Hauptstadt Beirut lebt, berichtet, dass die Syrer im Ausland ihren Angehörigen Dollar schickten, damit diese die galoppierenden Preise für Gemüse und Zucker bezahlen könnten.

In Rakka wurden die Elektrizität rationiert und die Löhne seit Dezember halbiert. Betroffen seien nicht nur die Kämpfer, sondern auch alle Zivilbeschäftigten von den Gerichten bis zu den Schulen.

IS akzeptiert nur noch Dollars

Doch auch dieser Sparkurs hat offenbar nicht gereicht, um die Löcher für eine Gruppe zu stopfen, die Geld für den Ersatz von bei Luftangriffen und Gefechten verlorenen Waffen braucht und ihre Kämpfer bezahlt. Nach Schätzungen des Experten Aimenn Dschawad al-Tamimi vom Middle East Forum, der Dokumente der Terrormiliz auswertet, machen diese Ausgaben zwei Drittel des IS-Etats aus.

Seit zwei Wochen würden die Extremisten nur noch Dollars für die Bezahlung von Steuern, Wasser und Strom akzeptieren, sagt Abu Ahmed. Ein anderer früherer Bewohner von Rakka, der ebenfalls noch mit Angehörigen dort in Verbindung steht, bestätigt den Bericht.

Geld-Lagerhäuser bombardieren

Neben den Angriffen bringen auch der dramatische Ölpreisverfall und die Zerstörung der Öl-Infrastruktur die Terroristen in Bedrängnis – schliesslich generierten sie mit Ölverkäufen einen grossen Teil ihrer Einnahmen.

Die irakische Regierung hat damit aufgehört, Zivilbeschäftigte zu entlöhnen, die in Gebieten unter der Kontrolle der Terrormiliz leben. Diese Gehälter wurden vom IS bislang mit einem Satz von 20 bis 50 Prozent besteuert – mit der Einstellung der Zahlungen gehen den Terroristen nach Schätzungen von Experten und Regierung etwa zehn Millionen Dollar pro Monat verloren.

Zudem werden unter der Führung der USA Lagerhäuser für Geld bombardiert. US-Vertreter sind zuversichtlich, dass man damit das Vermögen der IS-Terrormiliz deutlich verringern kann.

Bewohner können Häftlinge freikaufen

In der irakischen Stadt Falludscha bekommen IS-Kämpfer, die bislang mit 400 Dollar pro Monat entlohnt wurden, gar nichts mehr ausbezahlt. Ihre Lebensmittelrationen wurden auf zwei Mahlzeiten pro Tag gestrichen, wie ein Bewohner berichtet.

Eine Familie, die in der Stadt festsitzt, berichtet, dass Einwohner den Ort nur verlassen dürften, wenn sie 1000 Dollar bezahlten – eine Summe, die die Möglichkeiten der meisten Menschen in der Stadt weit übersteigt. Der IS erlaube den Bewohnern zudem, Häftlinge für 500 Dollar aus dem Gefängnis freizukaufen, offenbar um der Organisation Geld in die Kassen zu spülen.

Geld statt Peitschenhiebe

In Mossul berichten Bewohner, dass der IS damit begonnen habe, Bürger mit Geldstrafen zu belegen, wenn sie sich nicht an die strengen Bekleidungsregeln hielten – statt sie wie früher auszupeitschen.

Nach Einschätzung von US-Experten sind die IS-Kämpfer in ihrer Bewegungsfreiheit und ihren Finanzen so eingeschränkt wie seit Monaten nicht mehr. Aber die Gruppe kontrolliere noch immer ein grosses Territorium. Die syrische Regierung selbst habe kaum etwas von den Extremisten zurückerobern können.

Libyen als alternative Finanzierungsquelle

Die Soufan Group mit Sitz in New York, die Regierungen und multinationale Organisationen in Sicherheitsfragen unterstützt, kam in einer Analyse vom 27. Januar zu dem Schluss, dass der IS sich nach alternativen Finanzierungswegen in Libyen umsehe. Dort stehe die Gruppe weniger unter Druck und müsse nicht mit Luftangriffen rechnen.

Was die Wirkung der bisherigen Massnahmen gegen die Terrormiliz angeht, so ist Experte al-Tamimi skeptisch.«Ich denke nicht, dass das fatal für den IS ist», sagt er. «Ich sehe nicht, dass daraus eine interne Revolte resultiert. Es sieht eher wie ein schrittweiser Verfall und Niedergang aus.» (L.Hinnant, Z.Karam, S.George, /sda)

Zwei serbische Geiseln durch US-Luftangriff getötet

Zwei im November vom IS verschleppte Serben sind bei einem US-Luftangriff im Westen Libyens getötet worden. Der serbische Ministerpräsident Aleksandar Vucic sagte in Belgrad, bei den Opfern handele es sich um eine Angestellte der Botschaft und deren Fahrer. Sie waren im November ergriffen worden, nachdem ihr Konvoi nahe der Küstenstadt Sabratha beschossen worden war. US-Jets hatten am Freitag ein Ausbildungslager der Terrormiliz nahe der tunesischen Grenze bombardiert. Dabei waren Dutzende Menschen getötet worden.

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