Terror in ParisFür Elitepolizist war Bataclan «Dantes Hölle»
Es dauerte zwei Stunden, bis die Spezialeinheiten zu den Attentätern im Konzertsaal vorgedrungen waren. Diese drohten am Telefon, Geiseln zu köpfen.
Die Terroristen im Konzertsaal Bataclan telefonierten mehrmals mit den Elitepolizisten. Sie wollten jedoch keine Verhandlungen führen. Sie verlangten, dass die Einheiten den Saal wieder verlassen sollten, sonst würden sie weiterfahren, Geiseln zu töten, berichtet «Le Monde». Die französische Zeitung hat aus Polizei- und Ermittlerkreisen erstmals Details über den Polizeieinsatz erhalten.
Um 21.40 Uhr gelangen die drei Terroristen am Freitagabend durch den Haupteingang ins Konzertlokal Bataclan und erschiessen die Sicherheitsleute, heisst es im Bericht. Von einem Zwischengeschoss aus feuern sie Richtung Bar und Parkett. Die Zuschauer flüchten durch die Seitenausgänge, die Band hinter die Bühne. Mehrere verstecken sich in den Toiletten, im Technikraum und in Zwischendecken.
Zwei der Terroristen begeben sich auf den Balkon, einer bleibt im Erdgeschoss. Sie töten willkürlich Geiseln. Ein Polizist dringt in den Saal ein und schiesst auf den Angreifer im Erdgeschoss. Dessen Sprengstoffgürtel explodiert und tötet ihn.
Schüsse haben aufgehört
Um 22.15 Uhr treffen zwei Eliteeinheiten ein. Die Schüsse im Innern des Bataclan haben aufgehört. Die Situation ist chaotisch. Manche glauben, die Angreifer hätten die Flucht ergriffen. Die schwer bewaffneten Polizisten sichern das Erdgeschoss. «Es war wie in Dantes Hölle», sagt einer der Männer zum Journalisten von «Le Monde». Der italienische Dichter beschrieb im 14. Jahrhundert in der «Göttlichen Komödie» die Qualen, die Sünder nach dem Tod erleiden müssen.
Im Saal habe Stille geherrscht. Nur das Klingeln von Handys war zu hören. Angehörige, die versuchen, ihre Familienmitglieder oder Freunde zu erreichen. Auf dem Boden liegen Hunderte Körper – Tote, Verletzte und Menschen, die sich tot stellen. Wer laufen kann, wird evakuiert, Verletzte werden geborgen.
Rund 20 Polizisten der Eliteeinheit BRI erklimmen in zwei Kolonnen die beiden Treppen zum Balkon. Sie beginnen Geiseln zu evakuieren, die sich in Nebenräumen, Zwischendecken und Schränken versteckt haben. Noch immer ist kein Schuss gefallen.
Attentäter drohen mit Enthauptungen
Um 23. 15 Uhr trennt nur noch eine Tür die Polizisten von den Angreifern. Eine Diskussion beginnt, die Attentäter geben eine Handynummer raus. Um 23.27 Uhr findet ein erstes Telefonat statt. Die Terroristen sind wütend, wollen dass die Polizisten das Lokal verlassen. Sie drohen damit, Geiseln zu enthaupten, vom Balkon zu stürzen und sich in die Luft zu sprengen. Sie sprechen über Syrien. Fünf Telefonanrufe finden statt.
Um 0.20 Uhr gibt der Polizeichef den Angriffsbefehl. Die Terroristen haben sich in einem schmalen Gang verschanzt und benutzen Geiseln als Schutzschild. «Es war zehnmal so schlimm, wie im Hyper Cacher», erzählt einer der Polizisten. Im Januar hatte ein Geiselnehmer zwei Tage nach dem Charlie-Hebdo-Anschlag in einem koscheren Supermarkt vier Menschen getötet.
Es kommt zu einem chaotischen Schusswechsel. Die Geiseln flüchten. Einer der Angreifer bricht getroffen zusammen. Sein Sprenggürtel explodiert und tötet beide Attentäter. Nach drei Minuten ist der Angriff beendet.