Offene Fragen und ein «unschuldiger» Pistorius

Aktualisiert

Mordfall PistoriusOffene Fragen und ein «unschuldiger» Pistorius

Staatsanwalt Gerrie Nel verwickelt Oscar Pistorius in mehrere Widersprüche. Dieser beharrt darauf, dass er am Tod seiner Freundin nicht schuld sei. Damit endete das Kreuzverhör.

von
kmo

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Überraschend schnell – und erstaunlich unspektakulär – hat Staatsanwalt Gerrie Nel das Kreuzverhör mit Oscar Pistorius beendet. Es gelang ihm während der Befragung, viele Ungereimtheiten aufzudecken. Allerdings gelang es ihm nicht, jeden Zweifel an der Schuld des Angeklagten aus dem Weg zu räumen.

Zum Schluss hatte Nel nochmals zusammengefasst, wie die Geschehnisse in der Tatnacht seiner Meinung nach abliefen. Demnach stritten sich Reeva und Pistorius an besagtem Abend. Dass Reeva noch viel später auf war, als Pistorius angegeben hatte, soll der Mageninhalt der Toten beweisen. Dieser deute darauf hin, dass das Opfer spätestens zwei Stunden vor dem Tod noch etwas gegessen habe.

Laut Nel floh Reeva vor Pistorius

Reeva sei, laut Staatsanwalt Nel, mit markerschütternden Schreien vor Pistorius geflohen, während dieser seine Waffe geholt habe. Sie habe sich im WC verbarrikadiert. Die Lage ihrer Leiche beweise, dass Reeva mit dem Gesicht zur Tür stand, als sie erschossen wurde. Das wiederum beweise, dass sie mit Pistorius gesprochen habe.

Pistorius habe – immer noch laut Nel – durch die verschlossene Tür gezielt vier Schüsse auf seine Freundin Reeva Steenkamp abgegeben.

Pistorius glaubte, auf Einbrecher zu schiessen

Pistorius blieb bei seiner Darstellung, wonach er in der Nacht aufgewacht sei und Einbrecher im Haus vermutet habe. Er habe dann Reeva – ohne sie zu sehen – aufgefordert, die Polizei zu rufen. Er selbst habe sich seine Waffe geschnappt und sei den vermeintlichen Einbrechern entgegengetreten.

Im Badezimmer habe er gemerkt, dass jemand im WC sei. Als er ein Geräusch hörte, habe er geschossen, weil er fürchtete, dass die WC-Tür geöffnet werde. Dann habe er Reeva gesucht, aber nicht gefunden. Erst jetzt sei ihm der Gedanke gekommen, dass sie im WC sein könnte.

Der Angeklagte hält sich für unschuldig

Pistorius sagte, er habe danach versucht, die Tür mit der Schulter einzuschlagen und aufzureissen. Als ihm dies nicht gelungen sei, sei er ins Schlafzimmer gerannt, wo er die Prothesen angezogen habe, und sei dann mit einem Cricketschläger zurück ins Bad gerannt. Mit diesem habe er die Tür eingschlagen und Reeva danach herausgezogen.

Dann habe er einen Freund und die Polizei angerufen. Die Frage von Staatsanwalt Nel, ob er schuld an Reevas Tod sei, beantwortete Pistorius mit nein.

Demonstration am WC-Modell

Im Verhandlungstag vom Dienstag musste Pistorius zudem am nachgebauten WC-Modell im Gerichtssaal demonstrieren, wie er in der Tatnacht mit dem Cricketschläger auf die Tür eingeschlagen hatte. Laut Nel hätte er die Tür an höher gelegenen Stellen treffen müssen, wenn er die Prothesen angehabt hätte.

Auch die Position des Zeitungsgestells im WC wurde von Staatsanwalt Nel hinterfragt. Laut ihm war es nie bewegt worden. Das zeigten die Blutpfützen und -tropfen auf dem Boden und eine Stelle auf dem Gestell, auf der keine Blutspuren zu sehen waren – laut Nel der Abdruck von Reevas Kopf. Pistorius behauptet, das Gestell sei bewegt worden.

Alles in Ordnung?

Schliesslich ging es um die diversen Telefonanrufe, die der Angeklagte nach der Tat machte. Ein Anruf ging an den Sicherheitsmann Pieter Baba. Dieser hatte ausgesagt, dass Pistorius sagte, es sei alles in Ordnung. Der Angeklagte konnte sich nicht erklären, weshalb er das gesagt haben sollte.

Als Letztes las Pistorius auf Auftrag seines Verteidigers Barry Roux die Valentinskarte vor, die ihm Reeva schenken wollte: «Ozzy» mit Herzchen, danach der Text: «Ich glaube, heute ist ein guter Tag, um dir zu sagen, dass ich dich liebe.» Danach wurde der Angeklagte aus dem Zeugenstand entlassen. Damit war das Kreuzverhör beendet.

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