Sniper auf dem MaidanAbgehörte Telefone im Informationskrieg
Liess die neue ukrainische Regierung auf dem Maidan auf die eigenen Leute schiessen? Ein abgehörtes Telefongespräch sorgt in Russland für Schlagzeilen – und im Westen für Unruhe.
Waren es nicht Scharfschützen von Präsident Wiktor Janukowitsch, die am 20. und 21. Februar Dutzende Menschen in Kiew erschossen haben? Und wenn es nicht Sniper des mittlerweile entmachteten Präsidenten waren – wer liess dann auf Aktivisten und Polizisten gleichermassen schiessen? Hat die neue ukrainische Regierung möglicherweise die eigenen Leute umgebracht?
Das sind die Fragen, die sich stellen, seit Teile eines abgehörten Telefongesprächs zwischen der EU-Aussenbeauftragten Catherine Ashton und Estlands Aussenminister Urmas Peat publik geworden sind. Die russischen Medien walzen das Thema seit gestern genüsslich aus (siehe Video oben), die internationale Gemeinschaft ist verständlicherweise besorgt: Unterstützt man in der Ukraine möglicherweise eine kriminelle neue Regierung?
Ashton: «Donnerwetter!»
In dem mitgeschnittenen Gespräch vom 26. Februar sprechen Ashton und Peat über die tödlichen Angriffe auf dem Maidan. Peat bezieht sich dabei auf angebliche Aussagen der ukrainischen Ärztin Olga Bogomolets, die einige der Todesopfer untersucht hatte. Demnach stammten die tödlichen Schüsse auf Polizisten und Demonstranten auf dem Maidan-Platz aus derselben Waffe.
Daraus schliesst Peat: «Möglicherweise wurden die Scharfschützen nicht von Janukowitsch, sondern von den Oppositionellen beauftragt.» Er fügt an: «Es ist wirklich verstörend, dass die neue Koalition nicht untersuchen will, was wirklich geschah.» Ashton erwidert: «Ich denke, wir sollten das untersuchen. Ich habe das nicht mitbekommen, das ist wirklich interessant. Donnerwetter!»
«Mehr passiert, als wir alle wissen»
Edwald Böhlke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik ist überzeugt: «Auf dem Maidan ist mehr passiert, als wir alle wissen.» Es sei von immenser Wichtigkeit, dass die jetzige ukrainische Regierung oder auch die OSZE unter dem Vorsitz der Schweiz die blutigen Vorkommnisse vom 20. und 21. Februar aufarbeiten würden. «Die Frage, wer wirklich hinter den Schüssen auf Polizisten und Demonstranten steckt, muss geklärt werden. Sie ist zentral für die Demokratie in der Ukraine.»
Nach dem abgehörten Telefongespräch und den unklaren Ursprüngen des Mitschnitts gefragt, sagt der Osteuropa-Experte: «Wir befinden uns mitten in einem Informationskrieg.»
Abgehörtes Gespräch zwischen Putin und Kommandant
Ein Informationskrieg, bei dem alle Seiten munter mitmischen. Das zeigt ein weiteres Video (siehe unten), das sich ebenfalls um ein mitgehörtes Telefongespräch dreht. Darin beschreibt der kommandierende Befehlshaber der ukrainischen Streitkräfte auf der Krim, Volodimir Bondaruk, ein abgefangenes Gespräch zwischen dem russischen Befehlshaber auf der Krim mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.
So soll Putin seinen Befehlshaber auf der Krim gefragt haben: «Warum greifen die (die ukrainischen Streitkräfte) nicht an?». Antwort: «Die warten.» Darauf soll Putin gesagt haben: «Wie verhaltet ihr euch? Provoziert ihr nicht?» Sein Kommandeur: «Doch, wir provozieren.» Putin: «Fordert ihr sie nicht heraus?» Der Befehlshaber: «Doch, wir fordern sie heraus. Aber sie schiessen nicht.» Putin: «Warum schiessen sie nicht?» Antwort: «Wir wissen nicht warum, aber sie schiessen nicht.»
Das kolportierte Gespräch wird in der Ukraine ähnlich genussvoll ausgeschlachtet wie das abgehörte Gespräch zwischen dem estnischen Aussenminister und der EU-Aussenbeauftragten in Russland. Letztlich lässt sich aber weder mit dem einen noch mit dem anderen etwas beweisen – auch das liegt in der Natur des Informationskriegs.
(Quelle: Yotube/Hitbox)