Wie im Alten RomBerlusconi-Vertraute stolpert über Austern
Der Skandal um veruntreute Parteigelder und gefälschte Spesenrechnungen in der Partei PdL des Ex-Premiers Silvio Berlusconi weitet sich aus. Jetzt muss eine enge Vertraute Berlusconis ihr Amt abgeben.

Hier macht Berlusconi noch den Clown - doch nicht mehr lange mit Renata Polverini, die jetzt ihr Amt abgeben musste.
Italiens ehemaliger Regierungschef Silvio Berlusconi muss eine schwere Blamage hinnehmen. Seine Vertraute Renata Polverini, die Präsidentin der Region Lazio mit der Hauptstadt Rom, ist am Montagabend nach tagelangem Tauziehen von ihrem Amt zurückgetreten.
Polverini zog damit die Konsequenzen eines ausgedehnten Skandals um veruntreute Parteigelder, die die Berlusconi-Partei «Popolo della Libertà» (PdL - Volk der Freiheit) seit Wochen erschüttert. Nachdem die Vertreter der Opposition im Regionalrat geschlossen zurückgetreten waren, war ein Weiterregieren für sie unmöglich geworden. Nun sind Neuwahlen erforderlich.
Am Freitag durchsuchte die Steuerpolizei das Regionalparlament der Region Kampanien. Der Verdacht: Unterschlagung von öffentlichen Geldern.
Die Polizei beschlagnahmte Dokumente, die die Verteilung der Gelder unter den im Regionalparlament vertretenen Parteien bescheinigen. Die Ermittler wollen feststellen, wie das Geld ausgegeben wurde, wie italienische Medien am Samstag berichteten.
Die süditalienische Region Kampanien steht unter der Führung von Berlusconis «Volk der Freiheit» (PdL). Gerüchten zufolge flossen 6 Millionen Euro, die für die Fraktionen im Parlament bestimmt waren, direkt in die Taschen einzelner Regionalräte.
Spesenskandal auch in der Hauptstadt
Bereits vor Tagen hatte die Staatsanwaltschaft in der Hauptstadtregion Latium, zu der auch Rom gehört, Ermittlungen wegen der Verschleuderung von öffentlichen Geldern und des Verdachts auf gefälschte Spesenrechnungen aufgenommen.
Die Untersuchungen richten sich unter anderen gegen den früheren PdL-Fraktionschef in Latium und Kassenwart, Franco Fiorito. Er soll Millionen veruntreut haben. Laut seinen Aussagen hat die PdL seit Anfang 2011 21 Millionen Euro verschwendet.
In Latium hatte die PdL im März 2010 die Regionalwahlen gewonnen. Neben Fiorito stehen auch weitere PdL-Regionalräte in Latium unter dem Verdacht, systematisch Spesenabrechnungen gefälscht zu haben, um Steuergelder in Millionenhöhe in die eigene Tasche zu stecken.
Darunter befindet sich auch Fioritos Nachfolger als Fraktionschef im Regionalparlament, Francesco Battistoni. Er trat deswegen am Donnerstag zurück.
Austern, Champagner und Vestalinnen
Seit Tagen berichten italienische Medien ausführlich, wie sich PdL-Politiker in Latium luxuriöse Geschäftsessen und Partys mit Austern und Champagner gegönnt haben.
Mit Parteigeldern sollen auch iPhones, Gucci-Taschen, Hotelaufenthalte oder Reisen bezahlt worden sein. Die PdL-Fraktion richtete ausserdem eine Weihnachtsfeier in den römischen Filmstudios von Cinecittà mit Gladiatoren und Vestalinnen aus.
Polverini unter Beschuss
Ex-Fraktionschef Fiorito belastete in seinen Aussagen gegenüber den Staatsanwälten auch die Präsidentin der Region Latium, Renata Polverini (PdL). Diese sei über die Veruntreuung von Parteigeldern bestens informiert gewesen.
Polverini betonte stets, von den Vorfällen nichts gewusst zu haben. Sie ist eine enge Vertraute Berlusconis, der seine Rückkehr in die politische Arena als Premierkandidat einer Mitte-rechts- Allianz bei den Parlamentswahlen im Frühling erwägt.
Korruptionsskandal in der Lombardei
Seit diesem Sommer laufen bereits Ermittlungen gegen den Präsidenten der Lombardei, Roberto Formigoni, wegen mutmasslicher Korruption und des Verdachts auf illegale Parteienfinanzierung.
Formigoni, ebenfalls ein Vertrauter Berlusconis, ist in der Lombardei seit 1995 an der Macht. Er soll gemäss Ermittlern ein riesiges System der Günstlingswirtschaft aufgebaut und Schmiergelder kassiert haben.
Wahlen stehen an
Die PdL stellt auch in den beiden Kammern des italienischen Parlaments in Rom die grösste Fraktion. Gemäss Meinungsumfragen wollen derzeit aber nur noch rund 20 Prozent der Wähler die PdL bei den voraussichtlich im kommenden April stattfindenden Wahlen unterstützen.
Der Spesenskandal erschüttert das Ansehen der Partei erneut. Der PdL-Vorsitzende Angelino Alfano kündigte inzwischen eine «Moralisierungskampagne» und den Ausschluss der in die Affäre verwickelten Parteimitglieder an.
(kub/sda)