Linda W. (16) «will nur noch weg»Dem deutschen IS-Mädchen droht der Tod
Die Identität einer im Irak aufgegriffenen Deutschen ist geklärt. Noch ist unklar, wie es mit der 16-Jährigen weitergeht.
«Ich will nur noch weg», sagt Linda W. in der Militärkrankenstation in Bagdad. «Ich will weg aus dem Krieg, weg von den vielen Waffen, dem Lärm.»
Linda W. wird jetzt von der deutschen Botschaft im Irak konsularisch betreut. Sie will so schnell wie möglich nach Deutschland zurück, wo sie nach eigenen Angaben mit den Behörden kooperieren will.
Hat sie ein Baby?
Ein Reporter, der im Auftrag von NDR, WDR und der «Süddeutschen Zeitung» recherchiert, durfte unter den strengen Augen des irakischen Militärs mit Linda W. sprechen. Sie bereue, dass sie sich dem IS angeschlossen habe, sagte das Mädchen dem Journalisten.
Linda W. lebte als Ehefrau eines arabischen IS-Kämpfers in Mosul. Der Mann sei bald nach ihrer Ankunft gestorben, so der NDR. Britische Medien berichten, Linda habe bei ihrer Entdeckung im Tunnel in Mosul ein Baby dabei gehabt. «Sie produziert Milch, deswegen nehmen wir an, dass es ihr kleiner Bub ist», sagte ein Soldat der irakischen Spezialeinheit zur Terrorbekämpfung ISOF der «Sunday Times». Auf den Fotos, auf denen Linda W. von irakischen Soldaten abgeführt wird, ist allerdings kein Kind zu sehen.
An den Beinen verletzt
Linda W. soll noch diese Woche vernommen werden. Wie «Rudaw» berichtet, würden ihr deutsche Übersetzer zur Seite gestellt. Ein Richter hat ihr aber zunächst medizinische Versorgung angeordnet, weil sie durch Schrapnell an der linken Wade und am rechten Knie verletzt wurde.
Allein für den illegalen Grenzübertritt sieht das irakische Jugendstrafrecht bis zu dreieinhalb Jahre Haft vor. Gemäss dem irakischen Anti-Terror-Gesetz drohe der IS-Anhängerin die Todesstrafe, berichtet Rudaw. Sie würde im Irak aber erst im Alter von 22 Jahren hingerichtet.
Folglich werde sich «Deutschland wohl bemühen, eine Auslieferung zu verhandeln, schliesslich ist Linda ja noch nicht mal volljährig», schreibt der «Spiegel». Kommt die 16-Jährige zurück nach Deutschland, dürfte ein Verfahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung eröffnet werden.
«Willkommen ist Linda hier nicht»
Lindas Eltern im sächsischen Pulsnitz sind mehr als erleichtert, dass ihre Tochter überhaupt noch lebt. Die Behörden in Pulsnitz aber befürchten, dass die IS-Braut zur Galionsfigur für Rekrutierung werden könnte. Nicht nur sie sind skeptisch: «Der Ort ist gespalten», sagt eine Anwohnerin dem «Spiegel». «Die meisten freuen sich für Linda und ihre Familie.» Allerdings gebe es auch viele Menschen, denen die Ereignisse Angst eingejagt hätten.
«Willkommen ist Linda hier nicht», sagte eine andere. «Die Eltern tun mir leid, aber ich habe Bedenken, dass sie jetzt zurückkehren darf und sich nicht von der Ideologie des IS lossagt.»
26 Ausländer in Haft
Nach Informationen des «Spiegel» sitzen im Irak vier deutsche Frauen in Haft, die sich in den vergangenen Jahren der IS-Miliz angeschlossen hatten und nach der Befreiung Mosuls gefasst wurden.
Am Donnerstag hätten deutsche Diplomaten die Frauen in einem Gefängnis am Flughafen von Bagdad besuchen können, nach einer ersten Einschätzung gehe es ihnen den Umständen entsprechend gut. Eine der Deutschen habe marokkanische Wurzeln. Eine andere stamme offenbar aus Tschetschenien, habe aber einen deutschen Pass.
Am Montag bestätigte das deutsche Auswärtige Amt, dass im Irak neben Linda W. eine zweite deutsche IS-Anhängerin festgenommen wurde. Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Bagdad hätten die beiden Frauen am 20. Juli besuchen und ihre Identität klären können, hiess es.
Die deutschen Behörden schätzen, dass rund 200 Frauen wie Linda W. als Terrorbraut ins Krisengebiet gereist sind. Rudaw zufolge befinden sich 26 in Mosul aufgegriffene Ausländer – zwei Männer, acht Kinder und 16 Frauen – in irakischer Haft. Sie stammen aus Deutschland, Frankreich, Belgien, Syrien Russland, Tschetschenien und Iran.