Helmut KohlDie zerrissene Familie des Einheits-Kanzlers
Es ist schon merkwürdig: Helmut Kohl bleibt der Öffentlichkeit als Kanzler der Einheit in Erinnerung. Seine Familie aber war und ist zutiefst zerrissen.
Wie zerrissen die Familie Kohl tatsächlich war, zeigte sich diesen Mittwoch schmerzhaft in aller Öffentlichkeit: Kohls ältester Sohn Walter (53) brachte seine beiden Kinder zum «Bungalow», wie das Haus des Alt-Kanzlers in Ludwigshafen-Oggersheim genannt wird. Sie sollten sich von ihrem dort aufgebahrten Grossvater verabschieden.
Doch die Tür des Elternhauses blieb verschlossen. Die Polizei schickte das Trio schliesslich weg, sie sollten einen neuen Termin machen. Vom Tod seines Vaters hatte Walter aus dem Radio erfahren.
«Walter, deine Mutter ist tot»
Um die Beziehung zwischen Söhnen und Vater stand es schon länger schlecht. Die Gründe: «Entfremdung. Missverständnisse. Rebellion gegen den übermächtigen Vater», wie Bild.de schreibt. Der Vater war zwar für die Nation da, kaum aber für seine Kinder, die in der Schule selbst von Lehrern gemobbt wurden.
Dass er als Vater versagt hatte, war sich Helmut Kohl bewusst: «Stolz bin ich nur auf die Politik», soll er gesagt haben. Während seine Söhne ihm vorwarfen, ein Machtmensch zu sein, der auf andere keine Rücksicht nehme, klagte Kohl über das Unverständnis seiner Kinder gegenüber den Verpflichtungen seines Amtes als Bundeskanzler.
Die Bande rissen weiter ein, als Kohls Hannelore, mit der er 41 Jahre verheiratet war, 1993 wegen eines Ärztefehlers an einer Lichtallergie erkrankte. Sie, die seither weder Sonnenlicht noch Temperaturen über 16 Grad ertrug, nahm sich 2001 mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben. Sohn Walter erfuhr vom Tod seiner Mutter durch den Anruf einer Mitarbeiterin Helmut Kohls: «Walter, deine Mutter ist tot.»
Trauung in der Reha-Klinik
Wie es um das Verhältnis zwischen Vater und Söhnen 2008 stand, lässt sich daran ablesen, dass Walter und Peter von der Heirat Kohls mit dessen ehemaliger Redenschreiberin Maike Richter vorab nicht informiert wurden.
Die Trauung hatte in einer Reha-Klinik stattgefunden, wo Kohl sich von einem Sturz und einem schweren Schädel-Hirn-Trauma erholte. Für die nicht geladenen Söhne gab es ein Telegramm: «Wir haben geheiratet. Wir sind sehr glücklich. Maike Kohl-Richter und Helmut Kohl.»
Der zweiten Frau wurde von vielen Seiten und immer wieder vorgeworfen, den 34 Jahre älteren Kohl schon lange im Visier gehabt zu haben. Über einen Besuch in deren Wohnung schrieb dessen Sohn Peter: «Ich war in eine Art privates Helmut-Kohl-Museum geraten!»
Überall hätten Kohl-Bilder gehangen, selbst ein Brief mit Kohls Unterschrift sei dort aufgestellt gewesen. «Das Ganze sah nach jahrzehntelanger, akribischer Sammelleidenschaft zum Zwecke der Heldenverehrung aus, wie man es vielleicht auch von Berichten über Stalker kennt.»
«Ohne sie wäre ich nicht mehr am Leben»
Die neue Frau habe den Vater völlig vereinnahmt und ihn von der Familie ferngehalten, werfen die Kohl-Söhne ihr vor. Seine Enkelin habe Kohl das letzte Mal 2011 gesehen. «Als er sie erblickte, leuchtete sein Gesicht auf, er freute sich über ihren Besuch, legte ihre Kinderhand in seine grosse alte Hand», so Walter Kohl. Das sei auch das letzte Mal gewesen, dass er selbst mit seinem Vater gesprochen habe.
Das Verhältnis zu den Kindern sollte sich nie mehr bessern. Die Beziehung Kohls zu seiner zweiten Frau hingegen soll laut «Stern» innig und aufrichtig gewesen sein: Er nannte sie liebevoll «Oberrätin», sie ihn «mein Bundeskanzler». Sie pflegte ihn, umsorgte ihn fürsorglich, wurde zu seinem Lebenselixier. In Kohls Worten: «Ohne sie wäre ich nicht mehr am Leben.»
Kohl soll am 1. Juli mit einem europäischen, nicht mit einem deutschen Trauerakt verabschiedet werden. Dafür soll sich, so heisst es, seine zweite Frau eingesetzt haben.