AnalyseDonald Trumps bisher beste Rede
Mit seiner Rede vor versammeltem Kongress überraschte Donald Trump sogar seine ärgsten Kritiker. War das der Neustart als US-Präsident?
Optimismus und viele Versprechen: Donald Trump vor dem Kongress. Video: Tamedia/AFP
Am Dienstagabend bot sich Donald Trump eine einmalige Gelegenheit: Der neue US-Präsident konnte in seiner ersten Rede vor dem versammelten Kongress darlegen, was genau er für die nächsten vier Jahre im Weissen Haus plant. Trump schaffte es – und noch mehr.
Die Rede war die wichtigste seiner Präsidentschaft. Dieses Jahr wird er nie mehr auf ein so grosses Millionenpublikum am Fernsehen zählen können. Die Rede war für Trump eine Chance, seiner harzig gestarteten Präsidentschaft neuen Schwung zu verleihen und seine schlechten Beliebtheitswerte aufzubessern. Nach dem Umfrageschnitt von RealClearPolitics wird Trumps Amtsführung von 50,3 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner missbilligt. Bloss 43,6 Prozent stehen hinter ihm - so wenige wie bei keinem Präsidenten, seit es Umfragen gibt.
Wie gut nutzte Trump die Gelegenheit? Fünf Beobachtungen:
1. Mit dieser Rede wurde Donald Trump US-Präsident
Nach übereinstimmendem Urteil hielt Trump seine bisher beste Rede. Er folgte dem Protokoll, das für Ansprachen vor versammeltem Kongress gilt. Er wich praktisch nie vom vorbereiteten Manuskript ab. Trump verzichtete darauf, auf seine Feinde einzudreschen oder Medienkritik zu üben. Stattdessen listete er die Probleme des Landes auf, bilanzierte das von ihm bereits Erreichte und entwarf das optimistische Bild eines Amerika, das er herbeizuführen versprach. Die in gemessenem Ton vorgetragene Rede leistete, was weder die düstere Ansprache am Tag der Amtseinweihung schaffte noch sein Twittern zu später Nacht: Donald Trump mauserte sich zum Präsidenten der USA.
2. Der Höhepunkt war ein Blick zum Himmel
US-Präsidenten gelingt es vor versammeltem Kongress selten, unvergessliche Momente zu schaffen. Der Fernsehroutinier Trump hatte den Einfall, die Witwe des bei einem Raid in Jemen gefallenen Navy-Offiziers Ryan Owens einzuladen. Als er Carryn Owens' Anwesenheit vermerkte und das Opfer ihres Mannes beschrieb, begann die Frau zu schluchzen, hob den Blick zum Himmel und sagte: «Ich liebe dich, Baby.» Der Applaus brach minutenlang nicht ab, und Tränen kullerten auch Demokraten über die Wangen.
3. Obamacare wird demontiert, Immigration vielleicht reformiert
Trumps politische Vorschläge drehten sich in erster Linie um die Ankurbelung der Wirtschaft und die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze. Auch beim heiss umstrittenen Thema von Obamas Gesundheitsreform schlug der Präsident Pflöcke ein: Er übernahm den radikalen Vorschlag des Repräsentantenhauses, der eine Abschaffung von Obamacare und dessen Ersatz durch andere Regelungen vorsieht. Trumps Problem wird jetzt sein, diese Reform durch den Kongress zu bringen. Die andere Überraschung betraf die Einwanderungspolitik: Hier zeigte sich Trump willens, unter richtigen Umständen zu einer Totalreform Hand zu bieten. Das hat man von dem Immigrationskritiker noch nie gehört.
4. Trump nennt den Terrorismus beim Namen
General H. R. McMaster, der neue Nationale Sicherheitsberater, hatte Trump vor der Rede empfohlen, auf den Ausdruck «radikaler islamischer Terrorismus» zu verzichten. Die direkte Erwähnung der islamischen Religion entfremde Muslime in anderen Ländern und sei daher im Antiterrorismuskampf nicht hilfreich, argumentierte McMaster. Doch Trump folgte seinem Berater nicht - im Gegenteil. Als er die Phrase verwendete, betonte er jedes Wort einzeln: «Radikaler. Islamischer. Terrorismus.» Damit signalisierte Trump, dass er aussenpolitisch seinen bisherigen Grundsätzen treu bleiben wird. Sein nationalistischer Kernsatz bei diesem Thema war: «Mein Job ist nicht, die Welt zu repräsentieren. Mein Job ist, die Vereinigten Staaten von Amerika zu repräsentieren.»
5. Den Demokraten machte er es nicht leicht
Von den oppositionellen Demokraten im Saal wurden Störungen befürchtet. Doch sie liessen sich nicht zu Zwischenrufen hinreissen, allenfalls zum Stöhnen. So richtig klatschen mochten die Vertreter von Hillary Clintons Partei aber nur, wenn es um die in den USA allseits bewunderten Streitkräfte ging. Bei den allermeisten Applauspunkten von Trumps Rede blieben sie still sitzen, selbst wenn der Präsident selbstverständliche Ziele hochhielt, die auch sie begrüssen müssten. Ihre Passivität wirkte am Fernsehen unvorteilhaft. Auch die von einem alternden Ex-Gouverneur aus Kentucky gehaltene Replik zur Trump-Rede blieb einfallslos. Der Abend bewies, dass die Demokraten Trumps hyperaktiver Präsidentschaft bislang nur Ablehnung und keine eigene Alternative entgegensetzen können.
Die vollständige Rede von Donald Trump:
(Quelle: YouTube/PRESIDENT DONALD TRUMP SPEECHES & PRESS CONFERENCE)