120'000 Flüchtlinge werden umverteilt

Aktualisiert

EU-Beschluss120'000 Flüchtlinge werden umverteilt

Die EU-Innenminister haben bei ihrem Sondertreffen die Umverteilung von 120'000 Flüchtlingen in Europa beschlossen – gegen den Widerstand mehrerer osteuropäischer Länder.

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Die Umverteilung ist beschlossene Sache: Flüchtlinge kommen im griechischen Lesbos an. (22. Spetember 2015)

Die Umverteilung ist beschlossene Sache: Flüchtlinge kommen im griechischen Lesbos an. (22. Spetember 2015)

Trotz Widerstand mehrerer osteuropäischer Länder haben die EU-Innenminister am Dienstag per Mehrheitsvotum die Verteilung von 120'000 Flüchtlingen in Europa beschlossen. Ungarn, Tschechien, Rumänien und die Slowakei stimmten dagegen, Finnland enthielt sich.

Die Entscheidung sei bei dem Sondertreffen «durch eine grosse Mehrheit von Mitgliedstaaten» gefasst worden, teilte die luxemburgische EU-Ratspräsidentschaft am Dienstag im Kurzbotschaftendienst Twitter mit. Details zur Einigung blieben zunächst offen.

Tschechien kritisierte die Mehrheitsentscheidung der EU-Innenminister. «Heute ist der gesunde Menschenverstand verlorengegangen», empörte sich der Prager Innenminister Milan Chovanec via Twitter.

Streit unter EU-Ländern

Die Verteilung der 120'000 Flüchtlinge hatte vorher zu schwerem Streit unter den EU-Ländern geführt. Sie soll nun zunächst ausschliesslich Griechenland und Italien entlasten - nicht aber Ungarn, das das Vorhaben ablehnt.

Die EU-Kommission hatte die Umverteilung zur Entlastung von Griechenland, Italien und Ungarn vorgeschlagen, wo besonders viele Migranten ankommen. Aus Italien sollen es 15'600 sein, aus Griechenland 50'400. Da Ungarn die Umsiedlung aber generell ablehnt, können Griechenland und Italien nun hoffen, die restlichen 54'000 Migranten abgeben zu können. Auf Deutschland würden von den 120'000 etwa 31'000 Menschen entfallen.

Eine «Strafzahlung» für Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, fand laut Diplomaten keine Mehrheit. In einem Entwurf für die Konferenz hatte es zunächst geheissen, dass die Länder für jeden Flüchtling, dessen Aufnahme sie verweigern, einmalig 6500 Euro zahlen sollten.

Insgesamt geht es um die Verteilung von 160 000 Flüchtlingen innerhalb Europas. Die Umsiedlung von 40'000 Menschen ist jedoch bereits - auf freiwilliger Basis - beschlossen.

De Maizière erklärte, die Umverteilung könne «nur ein Baustein einer Lösung» sein. «Es geht nicht nur um Verteilung derer, die da sind, sondern auch um Verhinderung, dass noch viele kommen.»

Kein Zugsverkehr zwischen Salzburg und München

Der Druck auf die Balkanstaaten und Österreich nimmt derweil weiter zu. Als Folge der Flüchtlingskrise bleibt der reguläre Zugverkehr zwischen Salzburg und München noch bis mindestens 4. Oktober eingestellt.

Am Montag waren laut Behördenangaben weitere 11'000 Flüchtlinge nach Österreich gekommen. Das Zielland der meisten Flüchtlinge sei weiterhin Deutschland. Neben Bussen und Sonderzügen seien viele Migranten auch über die grüne Grenze nach Deutschland weitergezogen.

Soldaten an Ungarns Südgrenze haben seit Dienstag Polizeibefugnisse. Armeeangehörige können nun Personen und Fahrzeuge durchsuchen und Menschen festnehmen. Sie können Handschellen, Tränengas, Gummigeschosse und Fangnetze einsetzen. Unterdessen hat Serbien Brüssel und seinem Nachbarn, dem EU-Mitglied Kroatien, ein Ultimatum zur Öffnung der geschlossenen Grenzen gestellt.

Beratungen mit der Türkei

Die deutsche Kanzlerin Merkel sprach sich am Dienstag für eine engere Abstimmung mit der Türkei in der Flüchtlingspolitik und bei der Sicherung der EU-Aussengrenzen aus. «Ohne Unterstützung der Türkei wird es nicht gehen», sagte sie nach einem Gespräch mit dem finnischen Ministerpräsidenten Juha Sipilä in Berlin. Die Türkei ist derzeit wichtigstes Transitland für Asylbewerber aus aussereuropäischen Staaten auf ihrem Weg in die EU.

Die EU-Kommission will am Mittwoch noch vor dem Sondergipfel über eine Finanzhilfe an die Türkei beraten. Das bestätigte eine Sprecherin der Behörde in Brüssel, ohne einen konkreten Betrag zu nennen. Im Gespräch ist eine Milliarde Euro. (slw/afp)

Die Aufteilung

Deutschland nimmt davon mit 17'036 Flüchtlingen den grössten Teil auf, gefolgt von Frankreich (12'962), Spanien (8113), Polen (5082) und den Niederlanden (3900). Auf Tschechien und Rumänien, die zusammen mit Ungarn und der Slowakei gegen den Beschluss stimmten, entfallen 1591 und 2475. Ungarn muss 1294 aufnehmen.

Die Slowakei, die laut ihrem Ministerpräsidenten Robert Fico die Umsetzung der Beschlüsse verweigern will, muss 802 aufnehmen. Kroatien, das ebenfalls stark von der Krise betroffen ist, soll 568 Flüchtlinge erhalten.

Noch unklar ist zurzeit, wie viele Flüchtlinge die Schweiz übernehmen wird. «Wir müssen jetzt zuerst noch einmal die Kriterien anschauen und dann ausrechnen», sagte Bundesrätin Simonetta Sommaruga am Abend. Trotz des heutigen Entscheids blieben noch viele Fragen zur Umsetzung offen. (sda)

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