Eine schrecklich korrupte Familie

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Vetternwirtschaft 2.0Eine schrecklich korrupte Familie

Während Madrid unter den Folgen der Krise leidet, schafft Bürgermeisterin Botella fleissig Arbeitsstellen – allerdings nur für Parteimitglieder. Auch die berüchtigten Aguirres profitieren.

K. Leuthold
von
K. Leuthold
Esperanza Aguirre am 26. Oktober 2003 in guter Begleitung: Sie hat soeben die Wahl zur Gemeindepräsidentin Madrids gewonnen. Es gratuliert der jetzige Ministerpräsident Mariano Rajoy.

Esperanza Aguirre am 26. Oktober 2003 in guter Begleitung: Sie hat soeben die Wahl zur Gemeindepräsidentin Madrids gewonnen. Es gratuliert der jetzige Ministerpräsident Mariano Rajoy.

Den Internet-Nutzern in Spanien blieb nur noch Sarkasmus und Hohn ob der Nachricht, die sie am vergangenen Mittwoch erreichte: Ana Botella, die Bürgermeisterin der Hauptstadt Madrid, hatte eine gewisse Cristina Aguirre als Medienbeauftragte für den Bezirk Hortaleza eingesetzt. Dass ausgerechnet jemand mit dem Nachnamen Aguirre den Posten bekommen hat, erstaunte keinen wirklich.

Um die Brisanz der Ernennung zu verstehen, muss man wissen, dass Ana Botella seit 35 Jahren mit José Maria Aznar verheiratet ist, seines Zeichens ehemaliger Regierungschef des Königreichs. Und wie ihr Mann gehört Botella der rechtsorientierten Volkspartei (Partido Popular/PP) an.

Auch die frisch ernannte Cristina Aguirre ist Mitglied des PP und ihre Verwandschaft ist nicht weniger illuster. Ihre Schwester Esperanza ist seit 2003 Präsidentin der Grossregion Madrid. Von Politexperten wird sie dem rechtesten Flügel der Volkspartei zugerechnet. Schwester Cristina wird für ihre neue Aufgabe nun 46 625 Euro erhalten, oder 3885 Euro im Monat – mehr als das Fünffache eines spanischen Mindestsalärs.

Die Aguirres kennen keine Job-Sorgen

Die jüngste Schwester von Esperanza ist nicht das einzige Familienmitglied, das im krisengeplagten Spanien einen profitablen Job gefunden hat – während über 25 Prozent der Bevölkerung keine Arbeit haben. Esperanzas Sohn Álvaro Ramírez de Haro ist seit kurzem Berater des Staatsekretärs für Handel Jaime Garcia-Legaz. Auch Cousin Francisco Javier Aguirre Pemán hat einen gutbezahlten Posten in einer staatlichen Einrichtung. Laut eigenen Angaben ist er seit 2002 Marketingleiter der Madrider Wasserversorgung «Canal de Isabel II». Sein Lebenslauf ist – im Unterschied zum Rest der Belegschaft – auf der Webseite des Betriebs nicht aufrufbar.

Auch Claudio Aguirre Pemán, ein weiterer Cousin von Esperanza Aguirre, scheint von den Familienbanden profitiert zu haben. Zwar hat er keinen Beamtenstatus, dafür sass er jahrelang im Verwaltungsrat der schwer angeschlangenen Bank Bankia. Für seine Stelle als Berater, die er im Juli 2011 antrat, erhielt Aguirre Pemán 110 000 Euro. Vor wenigen Wochen kündigte er überraschend seine Stelle.

Dick im Immobiliengeschäft

Auch der Ehemann von Esperanza Aguirre ist kein Kind von Traurigkeit. Seit Jahren wird im Internet über die Aktivitäten von Fernando Ramírez de Haro y Valdés berichtet. Vielen sind seine Immobiliengeschäfte ein Dorn im Auge. Besonders regt die Madrider Steuerzahler auf, dass die Stadt für das Gebäude des Strassenverkehrsamts eine saftige Miete bezahlt. 16 550 225 Euro kostet das Haus pro Jahr, während rund um die Plaza de la Villa oder die Casa de la Panaderia viele Gebäude leerstehen. Diese würden die Stadt Madrid – als Besitzerin – nichts kosten. Doch das gemietete Haus gehört dem Ehemann von Esperanza Aguirre. Ein Schelm, wer dabei Schlechtes denkt.

Schon vor sieben Jahren war Ramirez de Haro y Valdés in die Kritik geraten. Damals wurde bekannt, dass er höchstpersönlich dafür gesorgt hatte, dass die Routen der neuen AVE-Hochgeschwindigkeitszüge nach seinem Gusto angelegt wurden. Fernando Ramirez de Haro y Valdés gleiste alles so auf, dass die Linien durch Gegenden führten, in denen er Land besass. Und schon schossen an kaum bewohnten Orten zum Beispiel in Andalusien Zugstationen aus dem Boden.

Die Folgen seiner machiavellistischen Aktion: Ein Riesenverlust für den Staat, weil an manchen Bahnstationen nicht mehr als 15 Personen am Tag ein- oder aussteigen, und eine mehrfache Wertsteigerung der Grundstücke der Aguirres über Nacht.

Aguirre spart auf Kosten der Kleinen

Und es geht noch weiter. Im Jahr 2011 analysierte das spanische Magazin «Ecologistas en Accion» die gewaltige Förderung des Golfsports durch die Stadt Madrid, die zeitgleich mit der Wahl von Esperanza Aguirre zur Präsidentin eingesetzt hatte. Dabei wurden einerseits die kostpieligen Anlagen kritisiert. Vor allem aber fielen den Analysten die Gemeinsamkeiten der Verwaltungsräte der diversen Organisationen auf: Es waren alles Angehörige von Frau Aguirre.

Und der Hass des kleinen Mannes auf diese ehrenwerte Familie hat sich vergangene Woche weiter intensiviert: Esperanza Aguirre hatte nämlich ankündigt, für Säuglinge die bislang kostenlose Impfung gegen Pneumokokken zu streichen. Zwar spart die Stadt Madrid so zwischen 10 und 15 Millionen Euro – im Vergleich zur Kapitalspritze von über 7000 Millionen Euro für die staatlich gerettete Bankia ist das aber nur ein trauriges Kinkerlitzchen.

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