Streiks und ProtesteFrankreich versinkt kurz vor der EM im Chaos
Die Proteste gegen die französische Arbeitsmarktreform eskalieren. Nach der Ölversorgung ist nun auch der Atomstrom in Gefahr.
Es herrscht Lagerfeuerstimmung: Angehörige der Gewerkschaft CGT blockieren die Zufahrt vor der Ölraffinerie in Donges unweit der französischen Atlantikküste. (Quelle: Reuters)
Das Benzin wird knapp, die Atomkraftwerke werden bestreikt, der Bahnverkehr lahmgelegt: An diesem Donnerstag kommt es zum Aktionstag gegen die Arbeitsmarktreform in ganz Frankreich zu Streiks – nur zwei Wochen vor dem Start der Fussball-Europameisterschaft.
Die Gewerkschaft CGT nimmt nach der Öl- nun auch die Stromversorgung ins Visier: Die Belegschaften in allen 19 Atomkraftwerken des Landes stimmten für einen Streik. In der Nacht auf Donnerstag wurde laut einer Gewerkschaftssprecherin in zwölf AKWs die Leistung heruntergefahren. Das ist heikel, denn die insgesamt 58 Reaktoren decken rund 75 Prozent des Strombedarfs des Landes.
Franzosen protestieren gegen ArbeitsmarktreformEskalation in Le Havre
In Paris und vielen anderen Städten finden zudem Kundgebungen statt, auch im Bahnverkehr und am Flughafen Paris-Orly sind wegen Streiks Störungen zu erwarten. In Le Havre sind die Proteste bereits eskaliert: Tausende Hafenarbeiter stürmten den Rathausplatz und warfen Rauchbomben.
In den vergangenen Tagen führten Blockaden von Raffinerien und Treibstofflagern zu Engpässen bei der Benzinversorgung, 20 bis 30 Prozent der Tankstellen ging bereits der Treibstoff aus. Am Donnerstagmorgen hatte es in Nordfrankreich neue Proteste gegeben. Behörden und Medien berichteten von Aktionen in Brest, Rennes und in der Normandie. «Le Monde» berichtet, dass viele Häfen bestreikt werden. Ziel der Gewerkschaften ist eine Blockade von Öleinfuhren. Die Regierung zapfte nach Angaben der Ölindustrie zum ersten Mal seit 2010 Treibstoffreserven an, die für den Notfall bestimmt sind.
Regierung deutet Nachbesserung an
Gewerkschaften, Schüler- und Studentenorganisationen protestieren schon seit Monaten gegen die geplante Lockerung des französischen Arbeitsrechts, mit der Staatschef François Hollande die hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen will. Unter anderem sollen die Arbeitszeiten verlängert und Kündigungen vereinfacht werden.
Inzwischen deutete Frankreichs Regierung mögliche Nachbesserungen am Gesetzestext an. «Es kann immer Veränderungen oder Verbesserungen geben», sagte Premierminister Manuel Valls am Donnerstag den Sendern RMC und BFMTV. Es sei aber ausgeschlossen, den «Rahmen» der Reform zu verändern. Er betonte zudem erneut, das Gesetz werde nicht zurückgezogen. Die Blockaden der Gewerkschafter kritisierte Valls als «unverantwortlich». (mlr/sda)