Ist Erdogans Sohn der «Ölminister» des IS?

Aktualisiert

Bilal ErdoganIst Erdogans Sohn der «Ölminister» des IS?

Präsidentensohn Bilal Erdogan soll vom «Islamischen Staat» gefördertes Öl verschiffen. Eine Vermutung, die wohl über blosse Spekulation hinausgeht.

Martin Suter/Ann Guenter
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Martin Suter/Ann Guenter

Die Türkei schoss Ende November im türkisch-syrischen Grenzgebiet einen russischen Kampfjet ab. Eine Erklärung für diese riskante Aktion lautete, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit dem Abschuss syrische Turkmenen habe schützen wollen, die gegen das Assad-Regime kämpfen und deshalb ins Visier der Russen gerieten.

Doch es gibt eine weitere, um einiges brisantere Erklärung – und diese lässt Erdogan alles andere als gut dastehen. Die Kurzfassung: Erdogan könnte den Abschuss befohlen haben, um die Geschäfte seines dritten Sohnes, Bilal Erdogan, zu schützen. Dieser soll mit der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) Ölgeschäfte machen – und jetzt sein Geschäft gefährdet sehen, weil Putins Luftwaffe Konvois von Tanklastwagen zerstört.

IS-Öl, aber auch Weizen und historische Artefakte

Westlichen Nachrichtendiensten nahestehende Quellen gehen seit geraumer Zeit davon aus, dass die Türkei mit dem IS Geschäfte macht. Von «unwiderlegbaren Verbindungen» war im Juli die Rede. Die wegen des Abschusses ihres Jets ohnehin schäumenden russischen Militärs gehen jetzt noch weiter und beschuldigen «Erdogan und seine Familie» solcher Geschäfte mit dem IS.

Bilal Erdogan hatte sich in den USA ausbilden lassen: Er machte an der Harvard-Universität einen Master-Abschluss und war Praktikant bei der Weltbank, bevor er in die Türkei zurückkehrte, um sich eine Flotte von Öltankern zu kaufen.

Bilal Erdogans Transportfirma MBZ Group sei es, sagte unlängst der syrische Informationsminister Omran Ahed Al Zoubi gegenüber russischen Medien, welche mit dem IS um Millionenbeträge im zweistelligen Bereich handle. Somit sei der 1980 geborene Bilal Erdogan nicht nur einer der wichtigsten Abnehmer für das Rohöl, das der IS aus seinen eroberten Quellen exportiert – er kaufe dem IS auch Weizen und historische Artefakte ab.

IS-Öl «kommt im industriellen Massstab in die Türkei»

Es kommt indes auch nicht von ungefähr, dass der syrische Informationsminister sich gegenüber russischen Medien wie dem halbstaatlichen Newsdienst RT äussert: Russland liess in den vergangenen Tagen nichts unversucht, den Machthaber in Ankara anzuschwärzen. Wladimir Putin sagte am Montag in Paris: «Zusätzliche Informationen bestätigen, dass Öl aus Lagerstätten, die vom IS kontrolliert werden, im industriellen Massstab in die Türkei kommt.» Das russische Flugzeug sei zum Absturz gebracht worden, um die «Sicherheit dieser Ölrouten zu gewährleisten».

Die Anschuldigungen, wonach die türkische Präsidentenfamilie mit dem IS zusammenarbeitet, sind nicht neu: Schon im August hatte etwa der Risk-Consultant F. William Engdahl auf der Site New Eastern Outlook behauptet, die Beziehungen zum IS seien ein «Familien-Business» der Erdogans. Laut dem Autor betreibt Sümeyye Erdogan, eine Tochter des Präsidenten, an der syrischen Grenze ein Feldspital. Darin würden verwundete IS-Kämpfer gesund gepflegt, damit sie aufs Schlachtfeld zurückkehren können. Am stärksten verwickelt sei jedoch Sohn Bilal. «Er soll Verträge mit europäischen Firmen unterzeichnet haben, die gestohlenes irakisches Öl in verschiedene asiatische Länder verschiffen», schreibt Engdahl.

Rücktrittsdrohungen Erdogans und Kurden-Öl

Präsident Erdogan weist die Anschuldigungen von sich. «Wir sind nicht so unehrlich, dass wir von Terroristen Öl kaufen würden. Falls bewiesen wird, dass wir das getan haben, werde ich von meinem Amt zurücktreten», sagte der türkische Präsident am Dienstag.

Erdogan kann es sich leisten, sich mit solchen Rücktrittsdrohungen weit aus dem Fenster zu lehnen: Er und Sohnemann Bilal können relativ sicher abstreiten, wissentlich IS-Öl zu kaufen – denn dieses wird immer auch mit dem Öl aus kurdischen Ölfeldern vermischt.

So verschifft der IS gemäss dem Wirtschaftsblog ZeroHedge einen grossen Teil seines Öls über den türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan, von dem eine Pipeline nach Kurdistan führt. Die Kurden im Irak benutzten Ceyhan dazu, an der Zentralregierung in Bagdad vorbei zusätzliches Öl zu exportieren.

Vorläufig steht Behauptung gegen Dementi. Die Vorwürfe der Geschäftemacherei zwischen der Familie Erdogan und der Terrormiliz mögen nicht neu sein. Mit dem Abschuss des russischen Kampfbombers TU-24 haben sie jetzt neuen Auftrieb und mit den Beschuldigungen des russischen Militärs einen quasi offiziellen Anstrich erhalten. Ist wirklich etwas dran, dürften früher oder (wohl eher) später handfeste Beweise folgen.

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