Italiens Präsident sagt als Zeuge in Mafia-Prozess aus

Aktualisiert

Dreistündige AnhörungItaliens Präsident sagt als Zeuge in Mafia-Prozess aus

Italiens Präsident Giorgio Napolitano ist in einem grossen Mafia-Prozess als Zeuge vernommen worden. Es ging um Absprachen zwischen der Politik und Mafia vor 20 Jahren.

von
lüs

Der 89-jährige Staatspräsident habe am Dienstag auf alle Fragen des Gerichts geantwortet, teilte das Büro des Staatschefs nach der dreistündigen Anhörung hinter verschlossenen Türen in Rom mit.

Napolitano habe das Gericht darum gebeten, so schnell wie möglich eine Abschrift seiner Aussage zu veröffentlichen. Bei dem Verfahren geht es um mutmassliche Absprachen zwischen der politischen Führung des Landes und der sizilianischen Mafia vor rund 20 Jahren nach einer Serie tödlicher Attentate.

Zu den Inhalten von Napolitanos Äusserungen machten Prozessbeteiligte unterschiedliche Angaben. «Napolitano sagte, dass er damals nichts von den Abmachungen wusste», sagte der Anwalt Giovanni Airo Farulla.

Der Präsident sei zu möglichen Verhandlungen gar nicht konkret befragt worden, wurde hingegen ein anderer Verteidiger, Ettore Bercellona, in italienischen Medien zitiert. Der Anwalt des angeklagten Ex-Mafia-Bosses Toto Riina, Luca Cianferoni, erklärte, Napolitano habe «im Grunde genommen sagen wollen, dass er in der ganzen Sache nur ein Zuschauer sei».

Zu den zehn Angeklagten in dem Prozess zählen neben Riina der damalige Innenminister Nicola Mancino, der frühere Senator Marcello dell'Utri und drei ehemalige führende Polizeioffiziere.

Hochrangige Verhandlungen mit Mafia

Die Ermittler gehen davon aus, dass es nach der Ermordung des christdemokratischen Europa-Abgeordneten Salvo Lima im Jahr 1992 sowie Anschlägen gegen Anti-Mafia-Richter hochrangige Verhandlungen mit der Mafia gab. Dabei soll über erleichterte Haftbedingungen für mehr als 300 inhaftierte Mafiosi sowie Strafnachlässe im Gegenzug für ein Ende der Attentatsserie gesprochen worden sein.

Napolitano, dem keine Verwicklung in die mutmasslichen illegalen Absprachen vorgeworfen wird, war zur fraglichen Zeit Präsident der Abgeordnetenkammer. Er wurde als Zeuge geladen, weil die Staatsanwaltschaft ihn zu Gesprächen seines 2012 gestorbenen juristischen Beraters mit dem früheren Innenminister Mancino befragen wollte.

Der Prozess wird eigentlich in Palermo verhandelt. Wegen seines Amtes wurde Napolitano aber hinter verschlossenen Türen in Rom und nicht im Gerichtssaal in Palermo befragt. Ein Urteil in dem Prozess wird nicht vor Ende 2015 erwartet. (lüs/sda)

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