Tödlicher JobMit dem Smartphone zum Kriegsreporter
Syrien gilt als gefährlichstes Land der Welt. Weil sich kaum noch westliche Journalisten dorthin trauen, übernehmen Bürger die Berichterstattung. Sie zahlen einen hohen Preis.
Die Ermordung des US-Reporters James Foley zeigt: Wer in Syrien als Reporter über den Krieg berichtet, riskiert sein Leben. In keinem anderen Land ist die Wahrscheinlichkeit, als Reporter zu sterben, grösser. Deshalb gibt es kaum noch westliche Journalisten, die sich in das Land wagen. Dafür, dass der Krieg in Syrien nicht vergessen wird, sorgen mittlerweile auch normale Bürger. Sie berichten über Hinrichtungen, Bombenanschläge und die prekäre humanitäre Lage im Land. Mit ihrem Handy stellen sie Bilder auf soziale Plattformen wie Youtube oder Twitter.
Diese sogenannten Bürger-Journalisten leben extrem gefährlich. «Sie haben meistens keine Organisation im Rücken und befinden sich in vielen Fällen zwischen den Fronten», sagt Silke Ballweg von der Organisation Reporter ohne Grenzen zu 20 Minuten. Von allen Berichterstattern, die in Syrien ums Leben gekommen sind, machen die Bürgerjournalisten den grössten Anteil aus.
Einheimische Reporter tragen die grösste Last
Seit Beginn der Proteste gegen das Assad-Regime im März 2011 sind in Syrien mehr als 150 Medienschaffende getötet worden, die meisten davon einheimische Bürgerjournalisten. Dutzende werden von Assads Sicherheitskräften und Geheimdiensten festgehalten, sind Geiseln von Rebellengruppen oder spurlos verschwunden.
«Wir betrachten diese Entwicklung mit grosser Sorge», sagt Ballweg von Reporter ohne Grenzen. «Die Bürgerjournalisten sind meistens völlig schutzlos.» Doch auch die Lage von einheimischen Journalisten, die für internationale Presseagenturen arbeiten, sei in Syrien vielfach prekär. «Sie werden zum Teil in Regionen geschickt, die den westlichen Journalisten zu gefährlich sind.» Besonders schwer haben es jene, die sich mit keiner Konfliktpartei identifizieren, sondern unabhängig und kritisch berichten und damit zu potenziellen Zielen aller Seiten werden.
100 Dollar für spektakuläre Bilder
Die Bürgerjournalisten findet der Deutsche Christoph Bangert*, ein erfahrener Fotograf, der schon in Krisen- und Kriegsgebieten in Afghanistan oder dem Irak unterwegs war, eine «gute Ergänzung». «Sie sind bei grossen Ereignissen wie Anschlägen immer zugegen und fotografieren das Geschehen mit ihren Smartphones. Das ist eine super Sache, aber die professionellen Journalisten werden sie nie ersetzen können», sagt Bangert zu 20 Minuten. Denn zum journalistischen Handwerk gehöre es eben auch, Bilder auszusortieren, News zu filtern und nicht alles Material roh auf soziale Plattformen zu stellen. Auch sei bei Bürgerjournalisten nicht immer klar, welche Aufnahmen für Propaganda-Zwecken gebraucht werden.
Deshalb setzen in Syrien internationale Presseagenturen zunehmend auf einheimische Profis. Im Gegensatz zu den Bürgerreportern sind diese im Auftrag von Agenturen unterwegs und stellen ihre Beiträge nicht einfach kostenlos auf sozialen Plattformen zur Verfügung. «Die lokalen Profis tragen in meinen Augen die grösste Last», sagt auch Bangert. Im Gegensatz zu ihren westlichen Kollegen tragen sie nicht nur ein höheres Risiko, sie werden auch deutlich schlechter bezahlt.
Reuters-Fotograf in Aleppo getötet
Der offenbar erst 17-jährige Syrer Molhem Barakat ist ein solches Beispiel. Er war im Auftrag der Nachrichtenagentur Reuters in Syrien unterwegs und dokumentierte den Krieg der Rebellen gegen die Regierungstruppen. Barakats spektakuläre Bilder gingen um die Welt und wurden unter anderem in der «New York Times» publiziert.
Barakat kam im Dezember 2013 ums Leben. Er starb, als er die Strassenkämpfe in Aleppo dokumentierte. Reuters wurde scharf dafür kritisiert, dass sie einen angeblich Minderjährigen in solch gefährliche Gebiete schickte. Auch soll Barakat nur 100 Dollar für seine begehrten Fotos von Reuters erhalten haben. Für Fotograf Bangert ist dies unhaltbar: Für einheimische Fotografen müssten die gleichen Standards gelten wie für westliche, sagt er.
Gemäss der BBC waren von allen getöteten Journalisten in Syrien 12 Prozent Ausländer, 88 Prozent waren lokale Reporter:
(Quelle: Youtube/DailyPlanetVideo)
US-Journalist kommt in Syrien frei
Nach zwei Jahren in der Gewalt einer der Al-Kaida nahestehenden Extremistengruppe in Syrien ist ein US-Journalist auf freien Fuss gekommen. Peter Theo Curtis sei ausser Landes gebracht worden und in Sicherheit, sagte die nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice am Sonntag in Washington. Präsident Barack Obama zeigte sich in einer Erklärung erfreut und erleichtert.
Ähnlich äusserte sich auch sein Aussenminister John Kerry. Er sei dankbar «nach einer von einer entsetzlichen Tragödie geprägten Woche.» Damit meinte er die Enthauptung des ebenfalls seit 2012 in Syrien festgehaltenen US-Reporters James Foley durch die Terrormiliz Islamischer Staat. Curtis wurde laut Kerry von der Al-Nusra-Front festgehalten, die gegen die Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad kämpft.SDA
Organisation für Pressefreiheit
Reporter ohne Grenzen dokumentiert Verstösse gegen die Presse- und Informationsfreiheit weltweit und alarmiert die Öffentlichkeit, wenn Journalisten und deren Mitarbeiter in Gefahr sind. Sie setzen sich für mehr Sicherheit und besseren Schutz von Journalisten ein. Sie kämpfen online wie offline gegen Zensur, gegen den Einsatz sowie den Export von Zensur-Software und gegen restriktive Mediengesetze. Hier geht es zu ihrer Website, auf der man auch spenden kann.
Fotograf der New York Times
Der deutsche Christopf Bangert (*1978) hat schon in vielen Krisen- und Kriegsgebieten als Fotograf gearbeitet. Unter anderem in Palästina, Darfur, Afghanistan oder dem Irak. Bangerts Bilder erschienen unter anderem in der «New York Times», dem «Stern»-Magazin oder der «Neuen Zürcher Zeitung». Im Mai 2014 brachte er sein Buch «War Porn» heraus. Darin sammelte er Bilder der letzten zehn Jahre. Die Bilder im Buch sind roh, intensiv und zum Teil schockierend, wie er selber sagt.