Liberales GebetshausPolizei schützt Moschee-Gründerin rund um die Uhr
Weil in ihrer Moschee Frauen und Schwule beten dürfen, wird Seyran Ates bedroht. Die Frauenrechtlerin geht nicht mehr ohne Polizeischutz aus dem Haus.
Die Rechtsanwältin Seyran Ates (54) ist wegen ihrer Gründung einer liberalen Moschee in Berlin schon so oft mit dem Tod bedroht worden, dass ihr Polizeischutz massiv verstärkt wurde. «Über die sozialen Medien habe ich wegen der Moscheegründung so viele Morddrohungen bekommen, dass das Landeskriminalamt zur Einschätzung gelangt ist, mich rund um die Uhr schützen zu müssen», sagte die Frauenrechtlerin der «Welt am Sonntag».
Ates hat der «Zeit» zufolge bisher rund hundert Morddrohungen erhalten. Zudem sei sie auch auf offener Strasse bedroht worden. «Es ist gefährlich, dass ich alleine unterwegs bin», sagte Ates zur «Welt». Sie traue sich nicht mehr, allein ihre Wohnung zu verlassen.
Ates beschuldigt Erdogan
Wie die Zeitung weiter berichtet, soll der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan laut Ates die deutsche Regierung aufgefordert haben, die liberale Moschee zu schliessen. «Das zeigt mal wieder, welchen Geistes Kind Erdogan ist, der die Demokratie nie verstanden hat», kommentierte Ates die angebliche Einmischung. Das deutsche Auswärtige Amt bestätigte Erdogans Intervention nicht.
Die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee öffnete Mitte Juni ihre Pforten. Dort dürfen Frauen predigen und neben Männern beten, Homosexuelle sind willkommen, Frauen mit Kopftuch auch, nicht aber jene mit Burka und Nikab. Die Tür steht zudem Sunniten, Schiiten und Menschen anderer Glaubensrichtungen gleichermassen offen. Türkische Medien hatten gegen die Moschee gehetzt und behauptet, sie sei ein vom Gülen-Netzwerk gesteuertes Projekt. «Damit entsteht die Gedankenkette: Gülenisten, Terroristen, vogelfrei», sagte Ates am Dienstag an einer Medienkonferenz.
Cem Özdemir, der Chef der deutschen Grünen, warf Erdogan vor, unter den Türken in Deutschland ein Klima der Angst zu schüren. Die deutsche Regierung müsse dem «Operettensultan am Bosporus» klarmachen, dass das Grundgesetz die Religionsfreiheit schütze, sagte Özdemir am Dienstag, als er dem Gebetshaus einen Besuch abstattete.