Putin unterhält eine geheime Söldnerarmee

Aktualisiert

SyrienPutin unterhält eine geheime Söldnerarmee

Sie kämpfen in Syrien, aber niemand in Moskau spricht über sie: Russische Söldner im Dienste einer privaten Firma. Die offiziellen Opferzahlen bleiben niedrig – das nützt Wladimir Putin.

Der russische Präsident Wladimir Putin soll in Syrien eine Söldnerarmee unterhalten. (Bild: Putin am 11. Dezember auf einer Militärbasis in Syrien)
2016 waren laut Schätzungen rund 4300 russische Soldaten in Syrien stationiert. Doch daneben sollen seit 2015 3000 Russen für den privaten Sicherheitsdienst der Wagner-Gruppe im Land gekämpft haben, zeitweise 1500 gleichzeitig.
Die Privatfirma Wagner wurde von einem ehemaligen Oberstleutnant gegründet und soll Verbindungen zum Kreml haben.
1 / 6

Der russische Präsident Wladimir Putin soll in Syrien eine Söldnerarmee unterhalten. (Bild: Putin am 11. Dezember auf einer Militärbasis in Syrien)

AP/Mikhail Klimentyev

Iwan Slyschkin war 23 Jahre alt, als er bei einem Einsatz gegen den IS in Syrien getötet wurde. Aber sein Name taucht auf der offiziellen Liste des Moskauer Verteidigungsministeriums über gefallene Russen nirgendwo auf. Das liegt daran, dass der junge Mann aus der Stadt Osjorsk im Ural zu den Tausenden Russen zählt, die von einer dubiosen privaten Militärfirma namens Wagner nach Syrien geschickt worden sind. Und darüber spricht die russische Regierung nicht.

«Er war in der Wagner-Gruppe», bestätigt Slyschkins Freund Andrej Sotow der Nachrichtenagentur AP. Er hatte sich als Söldner verdingt, um Geld für seine geplante Hochzeit zu verdienen, und kam ums Leben, als die privaten Sicherheitskräfte auf einem Ölfeld nördlich von Palmyra vorrückten. «Da drüben sind viele gute Leute im Einsatz. Er hat sich freiwillig dem Unternehmen angeschlossen», schildert Sotow. «Wie viele russische Kämpfer wollte er seine Geldprobleme lösen.» Etwa 1200 Euro bis 2000 Euro im Monat würden die Söldner je nach Erfahrung bekommen, sagt Politaktivist Ruslan Lewijew zum «Spiegel», plus hohe Prämien bei Kampferfolgen.

Söldner waren Monate vor russischer Armee in Syrien

Nach Angaben der Website Fontanka, die in St. Petersburg betrieben wird, sind seit 2015 ungefähr 3000 Russen unter Vertrag der Wagner-Gruppe in Syrien eingesetzt worden. Maximal seien es 1500 auf einmal gewesen, sagt Denis Korotkow, ein Fontanka-Reporter. Einige der privaten Sicherheitskräfte kämpften demnach dort schon Monate, bevor das russische Militär seine Kampagne in Syrien begann und damit eine Wende im Bürgerkrieg zugunsten von Präsident Baschar al-Assad bewirkte.

Das Verteidigungsministerium macht zwar keine konkreten Angaben über die Zahl der russischen Soldaten in Syrien, aber nach Schätzungen waren 2016 etwa 4300 stationiert. Jetzt könnten es noch mehr sein, da Russland Militärpolizisten zur Überwachung der sogenannten Deeskalationszonen entsandt hat. Bisher sind dem Ministerium zufolge 41 russische Soldaten in Syrien ums Leben gekommen.

Nach Angaben von Fontanka – wegen seiner unabhängigen Berichterstattung eine meist verlässliche Quelle – wurden ausserdem 73 private Sicherheitskräfte getötet. Eine andere investigative Gruppe, das Conflict Intelligence Team oder kurz CIT, beziffert die Zahl der Todesopfer mit 101. Und das seien konservative Schätzungen, sagen beide Organisationen.

Putin profitiert von Söldnern

Der Kreml und das Verteidigungsministerium blocken Fragen zu den privaten Kämpfern ab. Solche sind zwar auch von anderen Staaten wie den USA über Jahre hinweg im Irak und in Afghanistan eingesetzt worden, aber die russischen Gesetze verbieten es, Söldner anzuheuern oder als solche zu arbeiten. Doch Russland hat derartige Kräfte schon früher benutzt: seit 2014 etwa zur Unterstützung prorussischer Separatisten in der Ostukraine.

In Syrien sind die Söldner besonders nützlich, wie Mark Galeotti vom Institut für Internationale Beziehungen in Prag erklärt. Die russische Bevölkerung sei nicht sehr begeistert über das Moskauer Engagement in dem Land, «und mit Hilfe des Unternehmens Wagner können sie – die Moskauer Regierung – dort eine Streitmacht haben, die einsetzbar ist. Aber wenn einer von ihnen stirbt, dann muss es nicht bekannt gegeben werden.» Das hält die offizielle Totenzahl niedrig. Gut für Präsident Wladimir Putin, der im nächsten Jahr wiedergewählt werden will.

Familien dürfen nicht mit Medien sprechen

Sowohl Fontanka als auch CIT veröffentlichten Fotos von einem mutmasslichen Wagner-Trainingsstützpunkt in der südrussischen Region Krasnodar. Einige der Einrichtungen sehen genauso aus wie jene, die auf offiziellen Bildern des Verteidigungsministeriums von einer Basis in Molkino in derselben Region gezeigt werden.

Geheimhaltungsvereinbarungen mit Wagner verbieten es den Söldnern und deren Familien, mit den Medien über die Aktivitäten zu sprechen. Das Stillschweigen wird finanziell reich belohnt. So blieben auch die meisten AP-Versuche, Angehörige und Freunde von Getöteten zu kontaktieren, erfolglos.

Wagner hat auch Verbindungen in Ukraine

Die Wagner-Gruppe wurde von einem pensionierten Oberstleutnant, Dmitri Utkin, gegründet. Das US-Finanzministerium hat ihn im Juni mit Sanktionen belegt: Ihm wird vorgeworfen, ehemalige Soldaten für den Kampf an der Seite der Separatisten in der Ukraine rekrutiert zu haben. Vor einem Jahr war Utkin bei einem Kreml-Bankett zu sehen, das Putin zu Ehren von Veteranen gab.

Wegen Verwicklungen im Ukraine-Konflikt sind auch US-Sanktionen gegen Jewgeni Prigoschin verhängt worden, einen Unternehmer aus St. Petersburg mit Putin-Verbindungen. Früher ausschliesslich auf das Gastronomiegewerbe konzentriert, hat Prigoschin seine Geschäfte auf Dienstleistungen für das Militär ausgeweitet. Eine Stiftung gegen Korruption, die von Oppositionsführer Alexej Nawalny betrieben wird, enthüllte in diesem Jahr, wie stark Prigoschins Unternehmen bei Vertragsvergaben des Verteidigungsministeriums profitieren.

Russische Söldner werden wohl in Syrien bleiben

Und eine der Firmen mit Verbindungen zu diesem Mann ist Evro Polis, eine in Moskau registrierte Gesellschaft, die Fontanka zufolge eine Fassade für Wagners Operationen in Syrien geworden ist. Gab sie 2016 noch den Verkauf von Nahrungsmitteln als Hauptaktivität an, ist sie jetzt nach eigener Darstellung auf Bergbau sowie Öl- und Gasproduktion spezialisiert und hat ein Büro in Damaskus eröffnet.

AP liegt die Kopie eines Vertrages zwischen Evro Polis und Syriens staatseigener General Petroleum Corp. vor. Demnach erhält das russische Unternehmen 25 Prozent der Einnahmen aus der Öl-und Gasförderung auf Feldern, die seine Sicherheitskräfte von IS-Besetzern befreit haben.

So glauben denn auch Analysten, dass von Wagner angeheuerte Russen auf lange Sicht in Syrien bleiben werden, auch dann, wenn der Einsatz des russischen Militärs abgeschlossen ist. Das Unternehmen verfolge klar nicht nur militärische, sondern auch kommerzielle Ziele, sagt CIT-Gründer Ruslan Lewiew. «Jemand muss die Ölfelder bewachen.» (ap)

Deine Meinung zählt