Führerlose SchiffeSchlepper suchen Flüchtlinge via Facebook
Die EU will sich dem Druck auf ihre Aussengrenzen annehmen und gegen Menschenhändler vorgehen. Diese werben für ihr Millionengeschäft auch auf sozialen Netzwerken.
Nach den Vorfällen mit führerlosen Flüchtlings-Schiffen im Mittelmeer sucht die EU-Kommission neue Wege zur Entschärfung des Problems. «Die EU-Kommission wird noch 2015 eine europäische Agenda zur Migration präsentieren», kündigte eine Sprecherin der EU-Kommission am Montag in Brüssel an.
Ein konkretes Datum sowie Details wollte sie nicht nennen. Europa müsse einen gemeinsamen Ansatz finden, um dem wachsenden Druck auf die Aussengrenzen der EU zu begegnen. Ein anderer Kommissionssprecher fügte hinzu, dass mehr Gelder und mehr Mittel nötig seien.
EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos hatte bereits angekündigt, das Problem mit «Engagement und Entschlossenheit» angehen zu wollen. Menschenhändler hätten neue Routen nach Europa und neue Methoden entdeckt. «Wir müssen gegen diese skrupellosen, kriminellen Organisationen vorgehen», sagte Avramopoulos vor einigen Tagen.
Italien macht Druck
Der italienische Innenminister Angelino Alfano machte am Montag Druck für eine gemeinsame Strategie in der EU. «Menschenhändler sind skrupellos. Um sie zu bekämpfen, müssen wir unsere Kräfte vereinen. Italien ist das Land, das in diesem Bereich am meisten geleistet hat. Jetzt werden wir unseren Einsatz an Europas Seite fortsetzen», sagte Alfano.
Er habe diesbezüglich Kontakt zu Avramopoulos aufgenommen. Zudem habe Rom auch Kontakte zu türkischen Ermittlern aufgenommen, um Informationen über die Routen der Schlepper auszutauschen.
Bis zu zwei Millionen Euro kassieren die Schlepper mit alten Frachtern, die Hunderte Flüchtlinge an Bord haben. Auf hoher See gehen die Schlepper dann von Bord und überlassen die Menschen ihrem Schicksal.
Werbung auf Facebook, tausende Dollar für Überfahrt
Die rund 800 Flüchtlinge an Bord des führungslosen Frachters «Blue Sky M», der am Mittwoch die süditalienische Stadt Gallipoli erreichte, zahlten 5500 Dollar pro Kopf für die Reise. Das unter moldauischer Flagge fahrende Schiff war vom türkischen Hafen Mersin nahe der syrischen Grenze abgefahren.
Nach Angaben der der italienischen Zeitung «La Repubblica» haben die Schlepper zuvor auf Facebook in englisch und arabisch für die Reise geworben und die Preise dafür angekündigt.
Die Flüchtlinge auf dem führungslosen Frachter «Ezadeen» hatten sogar bis zu 8000 Dollar für ihre Überfahrt gezahlt,wie der Vorsteher der süditalienischen Provinz Cosenza, Gianfranco Tomao berichtete. Er berief sich dabei auf Aussagen der 360 Flüchtlinge, die das Schiff im Hafen von Corgliano verliessen.
Auf der Flucht vor Kriegen, Verfolgung oder Armut haben nach UNO-Schätzungen seit Anfang 2014 mindestens 348'000 Menschen gefährliche Meeresüberfahrten gewagt - ein neuer Höchststand. In Italien seien mehr als 170'000 Menschen eingetroffen. Italien habe vier Mal mehr Flüchtlinge als im Vorjahr versorgen müssen.
Guterres kritisiert «Triton»
UNO-Flüchtlingshochkommissar Antonio Guterres übte in einem Interview mit der Westschweizer Zeitung «Le Temps» Kritik an der EU-Mission «Triton». «Triton genügt nicht. Man muss im Mittelmeer einen breiten Einsatz wie 'Mare Nostrum' garantieren, um weiteren Tragödien vorzubeugen.
Während das italienische Programm zur Rettung von Mittelmeerflüchtlingen «Mare Nostrum» binnen eines Jahres mehr als 100'000 Menschen vor dem Ertrinken bewahrte, setzt das europäische Nachfolgprogramm «Triton» den Fokus vermehrt auf eine Sicherung der EU-Aussengrenze.
Der Weg über das Mittelmeer gehöre zu den «tödlichsten Routen der Welt» im Jahre 2014, sagte Guterres im Interview. Er forderte neue Wege zur legalen Einreise, um den Schlepperbanden Einhalt zu gebieten. (sda)