Missbrauch in Asylzentren«Helfer erschleichen sich die Nähe der Kinder»
Sexuelle Übergriffe in Asylzentren seien ein grosses Problem, sagt ein deutscher Experte für Kindsmissbrauch. Auch eine Schweizer Organisation fordert: Handelt endlich!

Den Frauen und Kindern soll geholfen werden: Eine Flüchtlingsfamilie in Deutschland. (Archivbild)
Rund 500 Flüchtlinge leben in Hessens grösstem Asylheim in Giessen. Zusammen leben die Geflohenen auf engstem Raum. Der Alltag scheint aber vor allem von einem Gefühl geprägt zu sein: Angst. Das berichtet das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel». Von Vergewaltigungen, Zwangsprostitution und Kindesmissbrauch ist die Rede. Mindestens 15 Frauen und Kinder sollen in den vergangenen Wochen in der Asylunterkunft in Giessen sexuell missbraucht worden sein. Viele Frauen fühlen sich nicht sicher, gehen nicht mehr alleine zur Toilette und schlafen in Kleidung. Die Polizei ermittle zwar gegen einen Asylbewerber, bestätigt sei aber noch nichts, schreibt der «Spiegel». Auch Frauenverbände warnen vor «unzähligen Vergewaltigungen» in der Erstaufnahme. Doch wie schützt man sich vor sexuellen Übergriffen?
Die Gefahr für sexuellen Missbrauch in Flüchtlingsheimen sei vor allem aufgrund der fehlenden klaren Strukturen und Regeln so gross, sagt der Kindesmissbrauchsverantwortliche der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, dem «Spiegel». Der Zugang zu den Einrichtungen sei nicht ausreichend geregelt, so könnten sich freiwillige Helfer zur Kinderbetreuung anmelden und sich somit die Nähe der Buben und Mädchen erschleichen, so Rörig weiter.
Checklisten sollen Gefahren mindern
«In den meisten betroffenen Ländern ist die Sexualität immer noch ein Tabuthema.» Bei Kindern sei das insofern dramatisch, als die meisten von ihnen nie richtig aufgeklärt wurden, sagt Rörig weiter. Zudem getrauten sich Flüchtlinge nicht, Übergriffe zu melden – das Vertrauen zu Staat und Polizei sei gestört.
Sogenannte Checklisten sollen die Betreiber der Unterkünfte sensibilisieren, erzählt Rörig weiter. «Darin fordere ich zum Beispiel, dass eine alleinerziehende Mutter separat mit ihrem Kind untergebracht wird.» Weiter fordert er getrennte Duschen und eine Ansprechperson in jeder Unterkunft, an die sich mutmassliche Opfer wenden könnten. «Um sexuellen Missbrauch vorzubeugen, sollen freiwillige Helfer ein Führungszeugnis oder wenigstens eine Selbstverpflichtung vorlegen.» Die verantwortlichen Organisationen hätten positiv auf seine Vorschläge reagiert, so Rörig. Nun sei es eine Frage der Organisation und schliesslich – wie bei allem – des Geldes. Ihm sei einfach wichtig, dass endlich gehandelt werde.
«Sexualisierte Gewalt» in Schweizer Asylzentren
Das Problem der sexuellen Übergriffe ist laut Terre des Femmes auch in der Schweiz virulent. So getrauten sich Frauen auch hierzulande in kollektiven Asylunterkünften nachts nicht auf die Toilette, würden unter der Dusche beobachtet und würden teils sogar Opfer sexualisierter Gewalt, wie die Organisation in einer Mitteilung schreibt.
Terre des Femmes fordert deshalb einen besseren Schutz von Frauen in kollektiven Schweizer Asylunterkünften. Die Frauen seien dort der Gefahr sexueller Gewalt ausgesetzt und hätten kaum Zugang zu entsprechenden Beratungsstellen.
Die Organisation für Frauenrechte setzt sich unter anderem für die Optimierung der Asylheime ein. Sie fordert zentral gelegene, oberirdische Unterkünfte, kleinere Einheiten und die Sensibilisierung der Mitarbeiter. Eine Unterkunft wie zum Beispiel das Zieglerspital in Bern biete eine Chance, ein Zuhause für Geflohene ohne Gewalt und Diskriminierung zu werden, heisst es auf der Website der Organisation.