Tote und Verletzte liegen in den Gängen

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Spital bei MosulTote und Verletzte liegen in den Gängen

Ohne staatliche Gelder und mit wenig Ressourcen muss sich ein Spital in Al-Kajara um die Toten und Verletzten der Regierungsoffensive im Irak kümmern.

von
Andreas Schwitzer
AP
Dieser Junge wurde bei Kämpfen zwischen der irakischen Armee und der Terrormiliz IS in der irakischen Stadt Mosul verletzt. Chefchirurg Mansour Marouf hält das Röntgenbild hoch.
Die Ärzte müssen mit zwei OP-Sälen und 50 Betten im Erdgeschoss auskommen. Die oberen Stockwerke wurden bei den Kämpfen um die einst vom IS kontrollierte Stadt zerstört.
Im Januar wurde die Klinik wiedereröffnet und hat seitdem mehr als 2000 Patienten behandelt, rund 600 davon Verwundete aus den überfüllten Feldlazaretten in Mosul.
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Dieser Junge wurde bei Kämpfen zwischen der irakischen Armee und der Terrormiliz IS in der irakischen Stadt Mosul verletzt. Chefchirurg Mansour Marouf hält das Röntgenbild hoch.

AP/Balint Szlanko

An manchen Tagen liegen die Leichen im Krankenhaus in der irakischen Stadt Al-Kajara, rund 60 Kilometer südlich von Mosul, einfach im Flur. In der Kühlkammer ist kein Platz, denn dort werden die Toten ohnehin schon oft übereinandergestapelt und nur notdürftig mit Tüchern oder Planen abgedeckt.

Die Leichen sind Opfer aus der Stadt Mosul, wo irakische Truppen seit mehr als fünf Monaten versuchen, die Terrormiliz Islamischer Staat zu vertreiben. Die Klinik in Al-Kajara ist eines von nur zwei öffentlichen Krankenhäusern in einem Umkreis von 200 Kilometern zwischen Mosul und der Stadt Tikrit – und es fehlt dort am Nötigsten zur Lagerung der Toten und zur Versorgung der Verletzten.

Obere Stockwerke sind zerstört

«Wir haben sie um Regale gebeten, aber nichts bekommen», sagt Chefchirurg Dr. Mansour Marouf mit einem Achselzucken. Seine fünf Kollegen und er werden oft derart überwältigt von der schieren Zahl der Schwerverletzten, dass sie tagelang kaum zum Schlafen kommen. An ihrem Arbeitspensum und der Zahl der Toten lässt sich auch der Verlauf der Mosul-Offensive ablesen. Am Freitag wurden 21 Leichen angeliefert, am Samstag keine einzige.

Die Ärzte müssen mit zwei OP-Sälen und 50 Betten im Erdgeschoss auskommen. Die oberen Stockwerke wurden bei den Kämpfen um die einst ebenfalls vom IS kontrollierte Stadt zerstört. Im Januar wurde die Klinik wiedereröffnet und hat seitdem mehr als 2000 Patienten behandelt, rund 600 davon Verwundete aus den überfüllten Feldlazaretten in Mosul. Gleichzeitig muss es Hunderttausenden Menschen aus der Gegend Grundversorgung bieten, etwa bei Geburten.

Quelle: Vier Pfoten

Mit dem Quadrocopter gegen den IS

Video: AFP

(Video: AFP)

«Regierung traut uns nicht»

Die Regierung zahlt für all das gar nichts. Sogar die Gehälter der Ärzte sowie Medikamente und Geräte werden von der international tätigen Hilfsorganisation Women and Health Alliance International (Waha) übernommen. Die einzige Unterstützung der öffentlichen Hand sei von der örtlichen Verwaltung gekommen, die zweimal pro Woche Forensiker schicke, um die Leichen zu identifizieren, sagt Marouf.

Das sei eine Schande, denn immerhin sei Al-Kajara bereits seit acht Monaten wieder in der Hand der Regierung, klagt der Chirurg. Er spekuliert, dass die Behörden in Bagdad ihn und seine Kollegen möglicherweise absichtlich ignorierten, weil sie jenen, die zwei Jahre lang unter der Herrschaft des IS gelebt haben, nicht trauten. «Aber jeder Angestellte wurde von den Sicherheitsdiensten überprüft, sie können es also nicht darauf schieben.»

Ein Bild vom Sonntag, 19. Februar 2017: Sicherheitskräfte befestigen eine irakische Flagge an ihrem Fahrzeug, bevor sie in die Schlacht gegen den IS ziehen.
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Rauch steigt über Mosul auf. Journalisten ist es noch nicht erlaubt, sich im Westteil der Stadt selsbt aufzuhalten, weswegen die Agenturen noch keine aktuellen Bilder vom zweiten Teil der Offensive anbieten.
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Ein Bild vom Sonntag, 19. Februar 2017: Sicherheitskräfte befestigen eine irakische Flagge an ihrem Fahrzeug, bevor sie in die Schlacht gegen den IS ziehen.

AP/Bram Janssen

EU-Geld noch nicht angekommen

Die Klinik ist ein Beispiel dafür, wie schwierig der Wiederaufbau der IS-Gebiete nach der Vertreibung der Extremisten vielerorts ist. Zwar konnte die Regierung schrittweise einige Gebiete zurückerobern, die der IS 2014 unter seine Kontrolle gebracht hatte. Doch in den meisten dieser Orte und Städte erhält die Bevölkerung vom Staat bisher keine oder nur sehr wenig Unterstützung, vom Wiederaufbau der Gebäude ganz zu schweigen.

Marouf erzählt, dass vor wenigen Wochen der EU-Nothilfekommissar Christos Stylianides in seiner Klinik zu Gast war und dass die EU ein Hilfspaket im Umfang von rund 45 Millionen Franken für den Irak zugesagt habe. Auf die Frage, ob denn davon schon etwas bei ihm angekommen sei, lacht der Chirurg. «Wir haben viele Listen geschickt. Jedes Mal, wenn wir fragen, sagen sie, sie würden helfen. Aber dann passiert nichts.»

Mosuls Kinder sind stark traumatisiert

Video: AFP

(Video: AFP)

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