Türkei nimmt 600 Terrorverdächtige fest

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Reaktion auf AnschlagTürkei nimmt 600 Terrorverdächtige fest

Die Türkei beteiligt sich aktiv am Kampf gegen den IS. Doch kämpft sie gleichzeitig auch gegen die Arbeiterpartei PKK. Die Kurden sehen die Waffenruhe nun als bedeutungslos an.

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Grosse Razzia in der Türkei: Ein mutmassliches IS-Mitglied wird in Istanbul verhaftet. (24. Juli 2014)

Grosse Razzia in der Türkei: Ein mutmassliches IS-Mitglied wird in Istanbul verhaftet. (24. Juli 2014)

Die türkische Polizei hat bei Anti-Terror-Razzien mittlerweile fast 600 mutmassliche Mitglieder der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) festgenommen.

Wie Ministerpräsident Ahmet Davutoglu mitteilte, wurden seit Freitag landesweit insgesamt 590 Verdächtige wegen Verbindungen zu «Terrororganisationen» festgenommen. Am Freitag hatten die türkischen Behörden bereits fast 300 Festnahmen vermeldet.

Dritte Runde

Die türkische Luftwaffe flog nach Angaben von Davutoglu am Samstag zudem zum dritten Mal Angriffe gegen Stellungen des IS in Syrien und kurdischer Rebellen im Nordirak. «Wir haben den Befehl für eine dritte Runde von Angriffen in Syrien und im Irak erteilt», sagte Davutoglu vor Journalisten. Es seien Einsätze in der Luft und am Borden «im Gange».

Die militante Kurdische Arbeiterpartei PKK hat ihren Waffenstillstand mit der türkischen Regierung aufgekündigt. Nach dem Luftangriff auf PKK-Lager in Nordirak sei er bedeutungslos geworden, erklärte die PKK auf ihrer Internetseite.

Die türkische Luftwaffe hatte am frühen Freitagmorgen und in der Nacht zum Samstag erstmals Stellungen der IS-Extremisten im Nachbarland Syrien bombardiert. Es war das erste Mal, dass die türkischen Streitkräfte Angriffe auf IS-Stellungen in Syrien flogen, seit die Miliz im Sommer vergangenen Jahres weite Teile des Landes erobert hatte.

Sorge um wachsende Macht

Der Zwei-Fronten-Konflikt der Türkei mit dem IS und den Kurden macht die Lage an der Südgrenze des Nato-Landes noch brisanter. Kurdische Einheiten hatten in den vergangenen Monaten Erfolge im Kampf gegen den IS in Syrien und Irak verbucht und gelten dem Westen als recht verlässliche Partner.

Die Türkei sieht die wachsende Macht der Kurden dagegen mit Sorge, weil sie neue Autonomiebestrebungen im eigenen Land fürchtet. Die PKK setzt sich seit 1984 für Eigenständigkeit ein, liess sich aber vor zwei Jahren auf den Friedensprozess ein.

Offenbar keine Toten

Die türkischen Kampfjets nahmen nach Regierungsangaben PKK-Schutzräume und Bunker sowie Lager und andere «logistische Stützpunkte» ins Visier. Die Ziele lagen in den Kandil-Bergen im Nordirak, wo die PKK ihr Hauptquartier hat. PKK-Sprecher Hiwa sagte, man prüfe noch den Schaden durch das Bombardement. Todesopfer habe es wohl nicht gegeben. Getroffen worden seien Dörfer in den Kandil-Bergen, aber nicht das Basislager der PKK.

Das türkische Militär griff nach eigenen Angaben auch grenznahe Stellungen des IS und der PKK in Syrien mit Artillerie an. Welche Ziele des IS in Syrien getroffen wurden, teilte die Regierung nicht mit. Sie nannte die Angriffe in Syrien und im Irak aber «effektiv». Die Operation gegen den IS und die PKK werde fortgesetzt. Die Regierung sei «entschlossen, alle Schritte zu unternehmen, um Frieden und Sicherheit unseres Volkes zu gewährleisten». (hae/sda)

Kurdendemonstration verboten

Die Stadtverwaltung von Istanbul hat einen für Sonntag geplanten «Friedensmarsch» der Kurdenpartei HDP verboten. Zur Begründung hiess es, es müsse mit «starkem Verkehr» gerechnet werden, zudem seien die Sicherheit gefährdende «Provokationen» zu befürchten.

Die HDP hatte zum Protest gegen die Gewalt der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) aufgerufen. Hintergrund ist das dem IS zugeschriebene folgenschwere Attentat im südtürkischen Suruc, bei dem am Montag 32 Menschen getötet wurden.

Seither gab es in Istanbul bereits mehrere Demonstrationen mit jeweils hunderten Teilnehmern, die der Regierung in Ankara unter anderem vorwerfen, IS-Kämpfer in der Türkei zu tolerieren.

Meist ging die Polizei gewaltsam gegen die Demonstranten vor. Erst am Freitag hatte sie Tränengas und Gummigeschosse gegen Teilnehmer einer Kundgebung eingesetzt.

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