Wahlfrust weckt Sezessionsgelüste

Aktualisiert

Petitionen in den USAWahlfrust weckt Sezessionsgelüste

Demoralisiert von Barack Obamas Wahlsieg unterschreiben hunderttausende Amerikaner Petitionen, die den Austritt ihrer Bundesstaaten aus den USA fordern.

Martin Suter
New York
von
Martin Suter
New York

Selten kleidet sich Frustration in eine derart gehobene Sprache. «Manchmal wird es im Lauf der menschlichen Ereignisse für ein Volk nötig, die Bande zu trennen, mit denen es mit anderen verknüpft ist», heisst es in einer letzte Woche eingereichten Bürgerpetition aus Louisiana auf der Website «We the People» des Weissen Hauses. Das Zitat entstammt der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 und begründet, warum die enttäuschten Bittsteller die USA verlassen wollen. «Wir bitten die Obama-Regierung», schliesst die Petition, «den Staat Louisiana friedlich dazu zu berechtigen, aus den Vereinigten Staaten von Amerika auszutreten und seine eigene, NEUE Regierung zu bilden.»

Mit ähnlichen Begründungen wie Louisiana sollen gemäss weiteren Petitionen nicht weniger als 47 der 50 US-Gliedstaaten aus dem US-Verbund austreten. Obwohl der Ausgang der Präsidentschaftswahlen von keinem der Bittsteller erwähnt wird, spricht aus den Petitionen der Groll der Verlierer. Die Welle der Petitionen wurde von «enttäuschten Tea-Party-Mitgliedern und anderen Konservativen» angestossen, schreibt die «Washington Times». Ein Petitionär begründet sie damit, dass er «einfach etwas tun wollte – irgend etwas – , um zu zeigen, das wir nicht schweigend abtreten».

«Hirn vom Körper abgetrennt»

Leitende Vertreter von Tea-Party-Organisationen haben sich bisher nicht hinter die Sezessionsbegehren gestellt. Steve Eichler von TeaParty.org hat aber Verständnis dafür. «Viele Leute glauben, dass ihre Bedürfnisse von den Regierungen in ihren Staaten besser abgedeckt werden als von der Bundesregierung», sagte Eichler zur «Washington Times». John Andrews, ein Professor an der konservativen Colorado Christian University, geht weniger gnädig mit den Bittstellern um: «Wer will, dass sein Staat sich von der Union abtrennt, dessen Hirn ist schon vom Körper abgetrennt.»

Natürlich haben die offiziellen Bitten nur symbolischen Charakter. Nach frühen Dokumenten der US-Verfassungsgeschichte sollen die USA einen «ewigen» Charakter haben. Seit die Sezession der Südstaaten nach 1860 in einen blutigen Bürgerkrieg mündete, ist eine Spaltung der USA keine politisch akzeptable Forderung mehr. Sicher aber hätte ein Sezessionsbegehren, wenn überhaupt, nur dann eine Chance auf Erfolg, wenn es von der Regierung und dem Parlament des betroffenen Gliedstaats ausginge. Erforderlich wären zusätzlich das Einverständnis der Bundesregierung und der übrigen Gliedstaaten.

Gouverneur Rick Perrys Drohung

Im Falle Louisianas und Texas' müsste Washington eigentlich reagieren. Beide Gliedstaaten übertreffen die Mindestzahl von 25'000 Unterschriften innerhalb von 30 Tagen, bei denen das Weissen Haus nach eigenen Regeln auf eine Petition antworten muss. Louisiana überschritt diese Grenze schon in der Nacht auf Dienstag, und die Petition für Texas unterzeichneten bis Dienstagnachmittag über 100'000 Sezessionswillige.

In keinem Bundesstaat ist die Idee einer Loslösung so populär wie im «Lone Star State», der erst 1845 zu den USA stiess. Gouverneur Rick Perry hatte 2009 indirekt auf diese Möglichkeit angespielt, als er sagte: «Wenn Washington dem amerikanischen Volk eine lange Nase macht, dann wer weiss, was daraus entstehen könnte. Texas ist ein ziemlich einzigartiger Ort, und zudem wir sind ziemlich unabhängig.»

Rick Perry krebst zurück

Angesichts der hohen Unterschriftenzahl fand es Perry jetzt allerdings nötig, sich von der Petition zu distanzieren. «Gouverneur Perry glaubt an die Grösse unserer Union, und nichts sollte getan werden, daran etwas zu ändern», liess er in einer Mitteilung mitteilen. Doch er teile die Frustrationen vieler Amerikaner mit der Bundesregierung, heisst es weiter, und «jetzt braucht es mehr denn je die Führerschaft von Staaten wie Texas».

Frustrierte aus Texas und anderen US-Bundesstaaten warten jetzt auf eine Reaktion aus Washington. Immerhin hat die Obama-Administration schon einmal einer Petition mit bloss 12 240 Unterschriften nachgegeben – und das Bierrezept des Weissen Hauses veröffentlicht.

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