Wer hat die tödliche Bombe gelegt?

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Anschlag in SüditalienWer hat die tödliche Bombe gelegt?

Bei einer Explosion bei einer Schule in Brindisi in Süditalien ist eine 16-Jährige ums Leben gekommen. Der erste Verdacht fiel auf die Mafia - doch es gibt zu viele Ungereimtheiten.

von
aeg

Bei einer Bombenexplosion vor einer Schule in der süditalienischen Stadt Brindisi ist am Samstag eine Schülerin getötet worden. Mehrere der insgesamt rund 600 Schüler, die die Modeschule in der Hafenstadt in Apulien besuchen, wurden verletzt - laut unterschiedlichen Angaben zwischen sechs und acht. Sie erlitten der Nachrichtenagentur Ansa zufolge schwere Verbrennungen. Eine der Verletzten sei in einem kritischen Zustand, erklärte ein Verantwortlicher des regionalen Zivilschutzes. Italienische Medien meldeten zunächst zwei tote Mädchen, dies wurde dann aber vom behandelnden Spital dementiert.

Kurz nach der Detonation vor der Modeschule in der Hafenstadt wurde die erste Schülerin als tot gemeldet. Die italienische Nachrichtenagentur ANSA berichtete unter Berufung auf einen Vertreter der Sicherheitsbehörden, die Polizei habe mit den Ermittlungen begonnen. Weitere Details lägen noch nicht vor. Jedoch wird in italienischen Medien der Verdacht geäussert, die Mafia stünde hinter dem Anschlag.

Der italienische Ministerpräsident Mario Monti verurteilte den Anschlag. Es handle sich um einen beispiellosen kriminellen Akt, erklärte Monti beim G-8-Gipfel in Camp David. Er ordnete drei Tage Staatstrauer an, Sportveranstaltungen und die lange Nacht der Museen wurden abgesagt.

Schule nach Frau des Antimafia-Richters Giovanni Falcone benannt

Nach Angaben von Sicherheitskräften explodierte der Sprengsatz aus miteinander verbundenen Gasflaschen gegen 7.45 Uhr (MESZ), als die Schüler zum Unterricht strömten. Vermutlich waren sie in Rucksäcken versteckt, die auf einer kleinen Mauer vor der Schule abgestellt wurden. Um diese Zeit erschienen viele Schülerinnen zum Unterricht in dem Gebäude der Schule Francesca Morvillo Falcone. Die Schule ist nach der Frau des berühmten Antimafia-Richters Giovanni Falcone benannt.

Falcone, der als Untersuchungsrichter in den 1980er Jahren eine Sonderkommission gegen die Mafia aufbaute, wurde am 23. Mai 1992 mit seiner Ehefrau und drei Leibwächtern auf der Autobahn bei Capaci bei einem Bombenattentat der Mafia ermordet. Die Mafia hatte den Wagen Falcones mit 500 Kilogramm Dynamit auf der Autobahn zwischen Palermo und dem Flughafen der Stadt in die Luft gesprengt. Falcone gilt als Symbolfigur des Kampfes gegen die sizilianische Mafia Cosa Nostra.

Mafia im Fokus

Der Bürgermeister der Stadt Brindisi, Cosimo Consales, hat die Mafia für den Anschlag vor einer Schule mit einer Toten verantwortlich. «Es handelt sich um einen Angriff der Organisierten Kriminalität ohne Gleichen», kommentierte der Bürgermeister.

«Mit dem Anschlag wollte man töten, die Gasbomben sind gerade zum Zeitpunkt explodiert, als die meisten Schülerinnen die Schule erreichten», sagte Schuldirektor Angelo Rampino.

Die italienische Innenministerin Annamaria Cancellieri bezeichnete den Anschlag einen Akt von «Grausamkeit ohne Gleichen». Die Hintergründe des Anschlags seien noch unklar. «Es gibt viele Hypothesen, aber keine Sicherheit», sagte die Ministerin. Man könne noch nicht feststellen, dass es sich um einen Mafia-Anschlag handle.

Nicht übliche Mafiamethode

Zu dem Anschlag bekannte sich bislang allerdings noch niemand. Die italienische Innenministerin Anna Maria Cancellieri sagte dem Fernsehsender Sky TG24, es gebe derzeit keine Anhaltspunkte, die auf eine Tat des organisierten Verbrechens deuteten. Die Tat entspreche nicht den üblichen Methoden der Mafia. Die in Sizilien ansässige Cosa Nostra zielt in der Regel auf Einzelpersonen wie Richter oder Staatsanwälte ab.

Auch die Ermittler zweifeln an der Mafia-Theorie. Der Anti-Mafia-Staatsanwalt Cataldo Motta sagte, das Attentat trage nicht die Handschrift des organisierten Verbrechens, weil bei der Bombe Benzin und nicht - wie bei der Mafia üblich - Dynamit verwendet worden sei. Auch der nationale Polizeichef Antonio Manganelli sprach von Zweifeln an der Mafia-Theorie.

Anti-Mafia-Marsch

Stadtpräsident Mimmo Consales sagte der Nachrichtenagentur Ansa, es gebe «zu viele Zufälle» in dieser Sache. So jähre sich nicht nur das Attentat auf Falcone in diesen Tagen zum 20. Mal, sondern am Samstag habe auch eine Demonstration zur Erinnerung daran nahe Brindisi stattfinden sollen.

Zu dem Anti-Mafia-Marsch waren zahlreiche Teilnehmer erwartet worden, die am 11. April in Rom gestartet waren. Der Marsch steuert verschiedene italienische Städte an. Die Polizei räumte die Schule in Brindisi nach dem Anschlag und sperrte das Gelände ab. Etwa 600 Schüler besuchen das Institut nach Angaben von dessen Webseite.

In Italien ist es in den vergangenen Wochen zu mehreren Anschlägen auf die Steuerbehörde Equitalia gekommen. Zudem wurde dem Chef einer Tochter des Rüstungskonzerns Finmeccanica ins Bein geschossen. Hinter diesen Angriffen werden Anarchisten vermutet.

(Video: Repubblica.it) (aeg/sda/dapd)

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