Massaker in AnnecyWer war hinter Saad al-Hilli her?
Zwei Tage nach dem Vierfachmord in den französischen Alpen ist das Motiv immer noch ein grosses Rätsel. Die Polizei geht von einem Profikiller aus.
Einen Tag nach dem Massaker in Annecy arbeiten die Ermittler und die Forensiker auf Hochtouren. Die Opfer wurden inzwischen identifiziert, doch viele Fragen bleiben offen. Die wichtigste: Wer könnte ein Motiv gehabt haben, die irakischstämmige Familie zu ermorden? Fünf Antworten zu einem äusserst mysteriösen Fall.
Welche Spuren verfolgt die Polizei?
Die britische Zeitung «The Telegraph» behauptet, dass die Ermittler «eine Familienfehde» für möglich hielten. Sie sollen sich dabei auf die Aussagen eines Nachbarn des ermordeten Saad al-Hilli stützen. Der 67-jährige Jack Saltman, der das Haus neben den al-Hillis in Claygate bewohnt, erzählte der Polizei von einem Gespräch, das er kurz vor der Abreise der Familie mit dem 50-jährigen Opfer geführt hatte.
Al-Hilli gab gegenüber Saltman an, dass er sich Sorgen mache. «Er fragte mich, ob ich auf sein Haus aufpassen könnte», so der Zeuge. Saltman habe diese Aufforderung zunächst nicht ernst genommen, doch jetzt, «angesichts dieses schrecklichen Verbrechens», glaube er, dass das erwähnenwert sei. Auf Saltmans Aussagen stützt sich auch der «Daily Mirror», der ausserdem einen Familienfreund zitiert, dem Saad al-Hilli gesagt habe, er sei in einen Streit um viel Geld verwickelt und habe Anwälte engagiert. Dabei soll es sich um eine Erbschaftsangelegenheit handeln.
Warum gehen die Ermittler von einem Profi-Killer aus?
Alle vier Todesopfer sind mit einem Schuss in die Stirn hingerichtet worden. «Jemand wollte diese Menschen töten», sagte Staatsanwalt Eric Maillaud an einer Pressekonferenz. Man habe am Tatort ungefähr 15 Patronenhülsen gefunden. Die Tatwaffe sei eine halbautomatische Maschinenpistole gewesen, die «eindeutig von einem erfahrenen Schützen» eingesetzt wurde.
Julian Stedman, Buchhalter des selbstständigen Flugzeugingenieurs al-Hilli, sagte gegenüber «Daily Mail»: «Die Art und Weise, wie die Opfer umgebracht wurden, deutet auf einen Auftragsmörder hin. Ein Irrer würde so etwas nicht tun.»
Hat der Mord etwas mit Al-Hillis Tätigkeit zu tun?
Die Polizei ermittelt in alle Richtungen. Ein Nachbar der Familie meinte gegenüber «Daily Mail», dass Al-Hilli «kein Spion» sei. «Ich glaube nicht, dass das System ihn loswerden wollte.» Doch die Zeitung zitiert einen Nachbarn, der sagt, er habe 2003 mitbekommen, wie al-Hilli wochenlang überwacht worden sei. Tatsache ist, dass der 50-jährige Ingenieur vor einigen Jahren an der Entwicklung eines Satelliten gearbeitet hat. Zudem war er seit 2007 für eine Firma tätig, die Militär- und Flugzeugmaterial herstellt. Die «Daily Mail» bringt Geheimdienstaktivitäten ins Spiel
Was haben die beiden Töchter – und einzigen Augenzeugen – erzählt?
Die Kinder stehen unter Schock. Am Donnerstagabend hat die 4-jährige Zeena erstmals mit der Polizei gesprochen: «Die Kleine sprach englisch. Sie hat Lärm gehört, Schreie, aber mehr konnte sie nicht sagen», sagte Staatsanwalt Maillaud der Presse. Die Kleine soll «in den kommenden Stunden» erneut befragt werden.
Wo befinden sich die Mädchen jetzt?
Die beiden überlebenden Kinder sind getrennt worden. Die 7-jährige Zainab liegt in einem Spital in Grenoble. Sie wurde bereits zweimal wegen eines Schädelbruchs operiert. Zudem wurde ihre Schussverletzung an der Schulter behandelt. Sie liegt im künstlichen Koma.
Ihre vier Jahre alte Schwester wurde in eine kinderpsychiatrische Anstalt gebracht. Das Kind hatte acht Stunden lang mucksmäuschenstill unter dem Rock seiner toten Mutter ausgeharrt und war deshalb von den Ermittlern, die zuerst am Tatort waren, nicht entdeckt worden.