Wo Menschen sterben, weil sie homosexuell sind

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Weltweite GrafikWo Menschen sterben, weil sie homosexuell sind

Ob in christlichen oder in muslimischen Ländern – Homophobie gibt es weltweit, wie unsere Grafik zeigt. Am schlimmsten aber muss es im Machtbereich des IS sein.

Bassem Mroue
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Bassem Mroue
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Ein Radiosender der Terrormiliz Islamischer Staat hat am Montag den Massenmörder von Orlando als «einen der Soldaten des Kalifats in Amerika» bezeichnet. In ihrem Machtbereich geht sie grausam gegen Homosexuelle vor und hat für sie eine besondere Hinrichtungsart ersonnen: Sie werden von Hochhäusern in den Tod gestürzt.

Der kurze Prozess fand im Juli 2015 in Palmyra auf der Strasse statt: Der vermummte Richter verlas das Todesurteil gegen zwei der Homosexualität überführten Männer; sie sollten vom Dach des nahe gelegenen Hotels Wael geworfen werden. Er fragte einen der Verurteilten, ob er das Urteil für angemessen halte. Der Tod, sagte der Richter, werde ihn von seiner Sünde reinigen.

«Nehmt sie und werft sie herunter»

«Ich würde es vorziehen, wenn sie mir in den Kopf schiessen», antwortete Hawas Mallah (32). Der zweite Verurteilte, der 21-jährige Mohammed Salameh, flehte um Gnade; er werde nie wieder Sex mit einem Mann haben.

«Nehmt sie und werft sie herunter», befahl der Richter. Andere vermummte Extremisten ergriffen die beiden, verbanden ihnen die Augen und fesselten sie. Dann führten sie die Verurteilten ab. Omar, der seinen ganzen Namen aus Angst vor dem IS nicht nennen will, schilderte den Zwischenfall der AP in der türkischen Stadt Reyhanli.

Berüchtigt für grausame Tötungen

Der IS ist wegen grausamer Tötungen ohnehin berüchtigt. Eine der brutalsten Methoden behält er sich für angebliche Homosexuelle vor. Sie werden kopfüber von hohen Gebäuden gehalten und fallen gelassen oder über den Rand gestossen, wie in Videos der Extremisten zu sehen ist.

Mindestens 36 Männer in Syrien und im Irak seien wegen Homosexualität öffentlich umgebracht worden, erklärte die New Yorker Organisation OutRight Action International im Dezember. Ob der Vorwurf der Homosexualität stimmt, könne nicht in jedem Fall bestätigt werden, sagt ihr Nahostkoordinator Hossein Alizadeh. Auch der Verdacht könne schon zum Todesurteil führen.

Todesangst vor Denunziationen

Viele Muslime betrachten Homosexualität als Sünde. Schwule werden oft gesellschaftlich geächtet, und selbst bei IS-Gegnern gibt es für Homosexuelle kein Mitleid. Einige, die sich schockiert über andere Brutalitäten der Extremisten zeigten, haben öffentlich erklärt, die Tötung Schwuler sei richtig. Auch andere syrische Rebellengruppen wie die zu al-Qaida gehörende Nusra-Front haben Homosexuelle umgebracht.

In den von Extremisten kontrollierten Gebieten herrscht unter Homosexuellen die blanke Angst davor, dass jemand, selbst ein Verwandter, sie denunzieren könnte. IS-Extremisten foltern manchmal mutmassliche Homosexuelle, um die Namen ihrer Freunde genannt zu bekommen. Ihre Laptops und Handys werden nach Namen durchsucht.

Die Geschichte von Lot und die Zerstörung Sodoms

Im Koran wird – wie in der Bibel – die Geschichte von Lot und die Zerstörung Sodoms erzählt. Männer, die Sex mit Männern hätten, müssten bestraft werden, sagt der Koran – aber nicht wie, und er lässt die Möglichkeit der Gnade offen, sollten sie Reue zeigen. Ohnehin seien die Stellen nicht eindeutig interpretierbar, wie der homosexuelle Imam Ludovic-Mohamed Zahed erläutert.

Die Todesstrafe kommt aus den Hadith, den Überlieferungen von Sprüchen und Handlungen des Propheten Mohammed und seiner Gefolgsleute. Es gibt verschiedene Stellen dazu – und auch sie sind, wie Imam Zahed erklärt, vieldeutig: Offenbar gibt es auch Hinweise darauf, dass der Prophet Schwule sogar beschützte.

Zwei Tage hingen die Leichen in Palmyra

Der IS jedenfalls beruft sich auf eine Schilderung, in der Mohammed sagt, Schwule «sollen aus sehr grosser Höhe geworfen und dann gesteinigt werden».

Das wurde mit den Verurteilten in Palmyra gemacht. Mallah wurde an einen Stuhl gefesselt von einem Dach gestürzt; er überlebte. Ein IS-Extremist tötete ihn mit einem Kopfschuss. Salameh schlug mit dem Kopf voran auf dem Boden auf und war sofort tot. Er wurde dennoch gesteinigt, berichtet Augenzeuge Omar. Zwei Tage seien die Leichname am Freiheitsplatz von Palmyra aufgehängt worden.

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