Heer, Stahl, SturmZschäpe provoziert mit Namen der Anwälte
Der NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe hat begonnen. Die Angeklagte verhöhnt das Gericht von Beginn weg. Sie hat sich ihre Anwälte nach makabren Kriterien ausgesucht. Der Prozess ist bis zum 14. Mai unterbrochen.
Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat am Montag in München der Prozess um die Verbrechensserie des rechtsextremen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) begonnen. Über 500 Polizisten waren aufgeboten worden, um die Sicherheit rund um das Münchner Oberlandesgericht zu garantieren. Auch im Verhandlungssaal waren wesentlich mehr Sicherheitsbeamte im Einsatz als sonst bei Prozessen üblich.
In dem Verfahren, das als einer der bedeutendsten Strafprozesse der vergangenen Jahrzehnte gilt, muss sich die mutmassliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe wegen Mittäterschaft bei zehn Morden verantworten. Vier weiteren Angeklagten werden Unterstützung des NSU beziehungsweise Beihilfe zu dessen Taten vorgeworfen.
Die ersten Anwälte, Gutachter und Nebenkläger kamen ab etwa 09.00 Uhr ins Gericht. Zschäpe wurde in einem schwarzen gepanzerten Wagen von der Justizvollzugsanstalt Stadelheim zum Gericht gefahren. Kurz vor 10.00 Uhr wurde die 38-Jährige dann in den Verhandlungssaal geführt.
«Nazi-Verteidiger» beginnen Prozess mit Antrag auf Befangenheit
Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten rund einhundert Anhänger und Angehörige der Opfer mit Plakaten. Zwei Frauen versuchten, mit Gewalt in den Gerichtssaal einzudringen.
Kurz nach Prozessbeginn kam es bereits zu einem unerwarteten Schachzug der Verteidigung. Sie hat einen Antrag auf Befangenheit gegen den Richter Manfred Götzl gestellt.
Zschäpes drei Anwälte fallen aber nicht nur durch ihre geschickten juristischen Manöver auf. Auch ihre martialischen Namen lassen aufhorchen: Heer, Stahl und Sturm.
Nazi-Propaganda
Solche Begriffe hat die deutsche Nazi-Propaganda während des Zweiten Weltkriegs häufig für ihre martialische Rhetorik missbraucht.
Auch die Wahl der Anfangsbuchstaben der Nachnahmen sind wohl kaum zufällig gewählt. Stahl und Sturm wie SS, die Schutzstaffel der NSDAP, und das H von Heer wie Hitler.
Es bleiben Mutmassungen. Zschäpes Motive lasst sich nicht beweisen - doch es ist mehr als wahrscheinlich, dass es sich bei der Wahl ihrer Anwälte um eine gezielte Provokation handelt, eine Verspottung des Gerichtes. Rechtsradikale sind äusserst geschickt darin, mit Symbolen zu spielen, die erst auf den zweiten Blick an ihre Helden aus der NS-Zeit erinnern.
Zschäpes drei «Nazi-Verteidiger» werfen dem Richter Götzl Befangenheit vor. Der Grund: Sie und Nebenklagevertreter müssen sich laut Götzls Anordnung vor Betreten des Gerichts durchsuchen lassen. Vertreter der Bundesanwaltschaft sowie Polizeibeamte und Justizbedienstete können die Kontrollen hingegen ungehindert passieren. Zschäpes Anwälte fühlen sich verdächtigt, sich an «verbotenen und letztlich kriminellen Handlungen zu beteiligen». Dies sei eine «offene Diskriminierung und nicht unerheblicher Eingriff in die Rechte der Verteidigung», so Zschäpe-Anwalt Wolfgang Stahl.
Ein Kölner Nebenklägeranwalt kritisierte gemäss dem Onlineportal der Welt den Antrag der Verteidigung heftig. Es diene einzig dazu, das Verfahren zu verzögern und das Leid der Opfer zu verlängern.
Anwältin Anja Sturm konterte die Kritik. Das Leid der Angehörigen dürfe nicht das prozessuale Handeln der Verteidigung bestimmen.
Zschäpe lächelt und gibt sich locker im Gerichtssaal
Richter Götz entscheidet, den Entscheid über den Befangenheitsantrag vorerst zu vertagen. Am Nachmittag wurde der Prozess wegen der nötigen Entscheidung über Befangenheitsanträge bis 14. Mai unterbrochen.
Gemäss deutschen Medien, deutet nichts darauf hin, dass Zschäpe sich durch den Prozess habe einschüchtern lassen. «Sie lächelt, manchmal lacht sie sogar», schreibt beispielsweise die Welt. Die Oberstaatsanwältin Greger bestätigt gegenüber der Süddeutschen Zeitung diesen Eindruck. «Zschäpe wirkte selbstbewusst heute. Das entspricht der Rolle, die wir ihr in der Anklage zugeschrieben haben», sagt sie.
Zehn Morde
Nach wochenlangem Streit um die Vergabe der 50 festen Presseplätze im Gerichtssaal wurden die weiteren 50 Plätze für Zuhörer am Montagmorgen fast ausschliesslich von Journalisten eingenommen.
Der NSU war jahrelang unentdeckt geblieben. Die Zelle soll in den Jahren 2000 bis 2007 neun Migranten und eine deutsche Polizistin ermordet haben. Ausserdem werden der Terrorgruppe zwei Sprengstoffanschläge in Köln und eine Serie von Banküberfällen zur Last gelegt.
Türkei fordert härteren Kampf gegen Rassismus
Die Menschenrechtskommission des türkischen Parlaments forderte ein härteres Vorgehen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland, wie die Welt Online berichtet.
«Es ist nun an der Zeit zu zeigen, dass Taten von Extremisten wie dieser Neonazi-Gruppe nicht länger straflos bleiben können», sagte der Vorsitzende der Kommission, Ayhan Sefer Üstün, der türkischen Tageszeitung Today`s Zaman. Das Gericht habe die Verantwortung, eine «historische Entscheidung» gegen Rassismus und Diskriminierung in der deutschen Gesellschaft zu treffen.
(hit/sda)